JULIA FESTIVAL Band 84
habe etwas Schreckliches erlebt. Viel schlimmer als Sie. Ich stand fast schon vor dem Altar, als mir endlich klar wurde, was mich erwartete. Die Frau, die ich zu heiraten beabsichtigte, hatte tatsächlich einen Job für mich in Aussicht und wollte, dass ich ihn annehme. Können Sie sich das vorstellen? Sie glaubte allen Ernstes, sie könne mich zu einer geregelten Arbeit zwingen.“
Bei der Erinnerung an diesen düsteren Vorfall schauderte Ben. „Und das war bei weitem noch nicht alles. Aber mit dem Rest werde ich Sie nicht langweilen. Sarah, ich versichere Ihnen, mir blieb nur noch eines übrig, nämlich davonzurennen. Das tat ich auch. Sie mögen mich deswegen für feige halten. Doch wenn Sie diese Frau kennengelernt hätten, würden Sie mich verstehen. Sie wollte immer nur ihren Dickkopf durchsetzen und mich unter ihrer Fuchtel haben.“
Genau wie Julian, dachte Sarah verbittert, obwohl ihre Situation etwas anders war. Julian hatte ihr den Job wegnehmen wollen, und nicht etwa verlangt, dass sie einen annähme. Aber wenn Ben Haviland nicht arbeitete, woher stammte dann das Geld für dieses Apartment?
Wieder betrachtete sie ihn misstrauisch. Er war zweifellos recht überspannt, sah jedoch nicht irre aus. Seine Behauptung, dass ihm das Apartment gehöre, könnte sogar stimmen. Die Miete dafür war lächerlich niedrig. Sarah freute sich immer wieder, dass sie sich auf Angelas Zeitungsinserat nach einer Mitbewohnerin gemeldet hatte. Ein so gut ausgestattetes Apartment mit Blick auf den Hafen kostete normalerweise das Doppelte an Miete.
Sarah wurde immer neugieriger. Sie suchte nach den richtigen Worten, um Ben mit ihren Fragen ja nicht zu reizen oder gar zu beleidigen. „Ben, wenn Sie nicht arbeiten, woher hatten Sie das nötige Geld, um dieses Apartment zu kaufen?“
„Ich benutzte mein Gehirn“, antwortete er prompt. Als er sah, dass sie nicht begriff, fügte er erklärend hinzu: „Ich beschränke mich darauf, Ideen zu verkaufen. Genau richtig für jemanden, der die Arbeit so hasst wie ich. Glücklicherweise verstehe ich mich sehr gut darauf, etwas hervorzubringen, das den meisten Menschen gefällt. Diesmal bin ich allerdings zu gut gewesen, und daraus entstand folgerichtig das Problem, mit dem ich mich jetzt herumquäle.“
Weil er merkte, dass sie noch immer nicht begriff, fuhr er fort: „Ich habe mir die besten Rechtsanwälte und Steuerberater dieses Landes genommen, die daran arbeiten. Alle raten mir dringend dasselbe, nämlich: Heiraten Sie! Splitten Sie das Einkommen mit Ihrer Frau. Leider besteht wirklich keine andere Möglichkeit. Und mir läuft die Zeit davon. Heute ist der 20. Mai. Also bleiben mir nur noch 41 Tage. Bis zum 30. Juni muss ich verheiratet sein.“
„Warum ausgerechnet bis zum 30. Juni?“
„Da endet das Finanzjahr. Falls ich bis dahin nicht verheiratet sein sollte, schlagen sie unheimlich hart zu.“ Verzweifelt blickte er auf Sarah.
Sie runzelte verwirrt die Stirn. „Wer wird zuschlagen?“
„Das Finanzamt“, rief er verächtlich aus. „Und das ist die gemeinste Ungerechtigkeit. Ein verheirateter Mann darf sein Einkommen auf zwei Personen verteilen. Aber ein unverheirateter Mann muss doppelt Steuern bezahlen. Ich bin durchaus bereit, dem Staat einen fairen Anteil zu geben, was ich sowieso schon mache. Ich schätze, dass ich mit meinen Steuern die Hälfte der Sozialleistungen finanziere. Doch jetzt wollen sie mich regelrecht ausrauben. Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, heißt heiraten.“
Nun dämmerte es Sarah. Erleichtert atmete sie auf. Ben Haviland war also doch nicht geistesgestört. Im Gegenteil. Jeder normale Mensch versuchte, an seinem schwerverdienten Geld festzuhalten. Mitfühlend lächelte sie Ben zu. „Es tut mir leid, dass Sie finanzielle Probleme haben. Doch Sie können kaum erwarten, dass ich Ihnen helfe, aus dieser unangenehmen Geschichte herauszukommen. Eine Heirat scheint mir nicht der richtige Weg zu sein. Vor allem deshalb nicht, weil Sie die Ehe ja als ein Gefängnis betrachten. Sie sollten lieber zahlen und Ihre Freiheit behalten.“
Protestierend hob er die Hand. „Sie verstehen nicht, Sarah. Nein, Sie verstehen wirklich nicht. Es geht um eine riesige Summe. All meine Hühnchen haben zur selben Zeit ihre Eier ausgebrütet. Ich stecke in den fürchterlichsten Schwierigkeiten. Unter normalen Umständen würde ich an eine Heirat nicht einmal denken.“ Plötzlich erhellte sich seine düstere Miene, und er lehnte sich entspannt zurück.
Weitere Kostenlose Bücher