Julia Festival Band 86
stand wie angewurzelt da. Sie hatte diese Stimme noch nie gehört, sonst hätte sie sich bestimmt daran erinnert. Nur wenige Menschen schafften es, einen derart frostigen Unterton in so wenige Worte zu legen. Aber wer, zum Teufel, war Miss Clinton? Und wer war der Mann, der da sprach?
Sie sah Claire hilfesuchend an. Claire schnitt verzweifelt Gesichter und verdrehte die Augen – eine Vorstellung, bei der Susannah normalerweise laut losgeprustet hätte. In diesem Moment aber begriff sie, was Claires Pantomime bedeutete: eine Warnung! Wer immer der Mann war, er bedeutete Ärger. Was anderes war auch von einem Mann zu erwarten, der einfach in die „CHIC“-Redaktion eindrang und sich an den Kopf des Konferenztischs setzte?
Es musste jemand von „Update“, sein. Susannah schluckte. Natürlich! Sie hatte ja damit gerechnet, dass früher oder später ein Erbsenzähler auftauchen, sich die Bilanzen von „CHIC“ ansehen und die Mitarbeiter einschüchtern würde. Einige Tage später würde er dann seine Lesebrille absetzen, sie mit seiner Krawatte reinigen und Susannah davon in Kenntnis setzen, dass er die Einstellung von „CHIC“ empfehlen würde.
Doch die Stimme vom anderen Ende des Konferenztischs klang nicht wie die eines hageren kleinen Buchhalters mit Lesebrille.
„Nun, Miss Clinton? Ich warte auf Ihre Entschuldigung für Ihre Verspätung.“ Der tiefe, samtene Klang der Stimme weckte in Susannah die Vorstellung von einer großen Raubkatze – einem Puma oder Jaguar. „Wir alle warten, Miss Clinton. Erklären Sie uns doch bitte, warum Sie Ihre Mitarbeiter für Punkt acht Uhr zu einer Besprechung bestellen, die Sie selbst für so unwichtig halten, dass Sie erst um …“ Es folgte eine kurze Pause, als würde die Raubkatze auf die Uhr sehen, „… zwanzig vor neun erscheinen.“
Susannah sah Claire erneut verzweifelt an. „Mmpf?“ Sie verwünschte diesen vermaledeiten Doughnut.
Claire hob kläglich lächelnd eine Hand und führte sie in eindeutiger Geste quer über den Hals.
Oje! dachte Susannah, als die Leute vor ihr auseinanderwichen und eine Gasse bildeten, sodass der Konferenztisch ins Blickfeld kam und mit ihm der Mann, der an seinem Kopf Platz genommen hatte.
Nein, keine Raubkatze, sondern ein Adler. Ein imposanter Adler mit dem scharfen Blick eines Räubers. Und der Blick seiner klaren, unglaublich blauen Augen schien Susannah zu durchbohren.
Sie spürte, wie ihr die Knie zitterten. Das war kein hagerer, ältlicher Erbsenzähler mit Lesebrille. Das war überhaupt nicht der erwartete Mann von „Update“. Es war …
„Guten Morgen, Miss Clinton“, sagte Matthew Romano.
Der Doughnut glitt ihr aus dem Mund und verursachte eine Puderzuckerspur auf Beethovens Gesicht, bevor er auf dem glänzenden Parkett landete. Ein leuchtendroter Marmeladenfleck verunzierte nun den Turnschuh ohne Schnürsenkel.
Matthew lächelte. „Charmant“, sagte er schmeichelnd. „Ist das ein neuer Modestil, oder was?“
Ein unterdrückter Laut, halb Lachen, halb Stöhnen, brach die Stille. Susannah sah Claire wütend an, die sich den Mund zuhielt und entschuldigend den Kopf schüttelte.
„Haben Sie nichts zu sagen?“ Matthews Lächeln wurde genauso frostig wie sein Blick. „Schade, Miss Clinton. Ich hätte nicht erwartet, Sie sprachlos zu finden, vor allem, was meine Person betrifft.“
Susannah beobachtete betroffen, wie er langsam aufstand. Er sah aus, als wäre er geradewegs den Glanzseiten von „Gentlemen’s Quarterly“ entsprungen. Dunkles, perfekt geschnittenes Haar, ein markantes, männlich-schönes Gesicht, ein maßgeschneiderter grauer Anzug, dazu ein hellblaues Hemd und eine elegante Krawatte.
Unwillkürlich wechselte Susannah das Standbein und versuchte, die marmeladenbekleckerte Spitze ihres offenen Turnschuhs zu verstecken. Matthew Romano bemerkte es und lachte.
Susannah errötete tief. Was hatte er vor? Warum versuchte er, sie zu demütigen? Das sollte ihm nicht gelingen! Sie würde sich wie eine Dame verhalten, auch wenn er ganz offensichtlich kein Gentleman war. „Nett, Sie kennenzulernen, Mr. Romano. Vielleicht wären Sie so freundlich, Ihre Anwesenheit hier zu erklären?“
Für eine Frau, die aussah, als hätte sie sich für den Lumpensammlerball gekleidet, und die ganz sicher nicht erwartet hatte, ihn in der „CHIC“-Redaktion anzutreffen, wirkte diese Susan Wie-auch-immer erstaunlich souverän und beherrscht. Natürlich war sie nicht wirklich so gelassen, wie es den Anschein
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