JULIA FESTIVAL Band 89
gelang es ihr immer wieder, sich abzulenken, aber vergessen konnte sie Ty nicht.
Jetzt, eine Woche später, stand sie gerade im Schwesternzimmer und studierte die Unterlagen eines Patienten, als Dr. Watts von hinten zu ihr trat.
„Sie riechen gut“, flüsterte er und drängte sich so dicht an sie, dass sie seine Schenkel spürte.
„Einen Schritt zurück“, sagte sie warnend. Sie stand eingezwängt zwischen dem Schreibtisch und seinem Körper, doch sie empfand eher Wut als Angst. Im Notfall könnte sie ihn spielend zu Boden werfen, aber den darauf folgenden Ärger wollte sie sich ersparen.
„Weshalb sträuben Sie sich so gegen mich?“ Dr. Watts strich ihr über den Nacken.
Nicole schlug seine Hand weg. „Ich sage es Ihnen jetzt ein letztes Mal: Nehmen Sie Ihre Pfoten von mir.“
„Sonst?“
„Sonst wird es Ihnen leidtun.“
Dr. Watts lachte leise und rührte sich nicht. Dann drängte er sich mit den Hüften an ihren Po, und Nicole platzte der Kragen.
„Sie fühlen sich gut …“
Weiter kam er nicht. Nicole hatte ihm den Ellbogen in den Magen gerammt und ihm gleichzeitig mit aller Kraft auf den Fuß getreten.
„Was geht hier vor?“
Nicole strich sich das Haar aus dem Gesicht und wandte sich dem eintretenden Mann zu. Dr. Luke Walker stand vor ihr. Er gehörte zum Aufsichtsrat des Krankenhauses und war der oberste Personalchef. Auch Dr. Lincoln Watts, der sich gerade am Boden wand, gehörte zu seinen Untergebenen.
„Gibt es ein Problem, Dr. Mann?“
„Jetzt nicht mehr.“
Dr. Walker betrachtete den Mann auf dem Boden und bedachte dann Nicole mit einem scharfen Blick. „Sie hätten sich schon eher bei mir melden sollen, Nicole.“
Sie atmete tief durch. „Mir geht es gut.“
„In Ordnung. Dann betrachten Sie Ihre Schicht bitte als beendet.“
„Aber …“
„Nicht als Strafe.“ Dr. Walker trat zurück, als Dr. Watts sich aufrappelte. „Als kleine Wiedergutmachung für die Geduld, die Sie mit diesem Mann gezeigt haben. Dr. Watts, Sie kommen bitte mit mir.“
Dr. Lincoln Watts warf Nicole einen wütenden Blick zu, und sie hätte fast losgelacht.
Auf der ganzen Fahrt nach Hause sang sie gut gelaunt vor sich hin, und dann bekam sie auch noch einen Parkplatz direkt vor dem Haus.
Als sie die Treppen hinaufstieg, fing Suzanne sie ab.
„Hallo, Nicole“, begrüßte Suzanne sie lächelnd.
Taylor trat zu ihr. „Weißt du eigentlich, was man beim Telefon als Rückruf bezeichnet?“
Nicole hatte die Nachrichten der beiden gehört, bislang aber noch keine Gelegenheit gehabt, sie anzurufen. Jetzt bekam sie ein schlechtes Gewissen, zumal die zwei sich wirklich zu freuen schienen, sie zu sehen.
„Seht ihr? Deshalb habe ich ungern Freunde.“ Sie schloss die Tür auf und schob die beiden in ihr Apartment. „Ich bin als Freundin einfach ungeeignet.“
„Stimmt ja gar nicht, du hast nur viel zu tun.“
„Aber hin und wieder könntest du dich schon an uns erinnern“, wandte Taylor ein. „Das wäre nett.“
„Tut mir leid. Aber die Arbeit …“
„Ja, schon gut.“ Taylor betrachtete die Zimmerdecke. „Wahrscheinlich ist dir nicht einmal aufgefallen, dass ich die Decke habe reparieren lassen.“
Stimmt, dachte Nicole. Wie konnte ich das nur übersehen? „Also, ich …“
„Ich erwarte ja gar keine Erklärung von dir“, sagte Taylor.
„Seht mal, ich muss …“
„Du kommst gerade von der Arbeit, was kannst du da zu tun haben?“ Taylor ließ sich auf den Futon im Wohnzimmer fallen und sah sich um. „Du brauchst dringend Möbel.“
„Das sehe ich nicht so.“
„Wieso richtest du dich nicht schöner ein? Willst du bald wieder ausziehen?“
„Ich fühle mich wohl hier. Drüben steht mein Bett.“
Taylor hob eine Augenbraue. „Aber die Sachen in der Küche sind immer noch in Kartons.“
„Das liegt daran, dass Suzanne mir ständig etwas zu essen bringt. Ich brauche gar nicht zu kochen.“ Nicole lächelte Suzanne an. „Danke übrigens.“
Suzanne erwiderte das Lächeln. „Soll ich damit aufhören? Würdest du dann häuslicher werden? Wenn du gezwungen wärst, dich einzurichten?“
„Aber ich will doch gar nicht weg.“ Nicole sah von einer zur anderen.
„Bist du dir da sicher?“ Taylor stand auf. „Ich weiß doch, dass du bislang immer nur ein paar Monate in derselben Wohnung gelebt hast. Ist es für dich jetzt auch wieder Zeit für den nächsten Umzug? Ich merke doch, wie unangenehm es dir ist, dass es hier Leute gibt, denen du etwas bedeutest.“ Sie trat
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