Julia Festival ext.Weihnachten Band 05
sie sie in ihrem Kummer doch dort abgelegt? Wie sonst sollte sie von ihrem Schlafzimmer ins Wohnzimmer gelangt sein?
Ja, wie sonst? wunderte sich Faith und runzelte die Stirn.
„Ich war es.“
Faith drehte sich langsam um, nicht länger überrascht, dass der ältere Engel immer wieder wie aus dem Nichts neben ihr auftauchte. Dass Mrs. Heavenly sich einmischte, begriff sie jedoch nicht.
„Das verstehe ich nicht“, sagte Faith.
Warum nahm Mrs. Heavenly die Dinge selbst in die Hand? Hielt sie sie vielleicht für unfähig?
„Du bist mehr als fähig, meine Liebe“, versicherte ihr Mrs. Heavenly, die so leicht Faith’ Gedanken lesen konnte. „Ich habe nur …“ Sie seufzte. „Ich hätte nicht eingreifen dürfen, ich weiß. Es ist nur … vor zehn Jahren habe ich Olivia nicht helfen können“, setzte sie langsam hinzu. „Ich fände es schrecklich, wenn wir ein zweites Mal keinen Erfolg hätten, nur weil Olivia einfach nicht mehr an sich glauben mag.“
„Du …“ Faith starrte sie fassungslos an, warf einen besorgten Blick auf Olivia, ehe sie sich wieder Mrs. Heavenly zuwandte. „Aber ich dachte, es wäre das erste Mal, dass Olivia eine Bitte an uns gerichtet hätte …“ Zumindest hatte ihr Mrs. Heavenly diesen Eindruck vermittelt.
Der ältere Engel lächelte scheu. „Ich hatte nicht immer diesen Posten, den ich jetzt bekleide. Vor zehn Jahren war ich der Himmelsbote, der den Auftrag hatte, Olivia in ihrer Verzweiflung zu helfen“, erklärte Mrs. Heavenly bedrückt. „Ich versagte – schaffte es nicht, sie davon zu überzeugen, dass alles seine Zeit hat. Ihre Bitte um Hilfe vor zwei Tagen erfüllte auch eine meiner Bitten“, vertraute sie ihr an. „Eine Bitte, die ich schon so lange mit mir herumtrug, dass sogar ich langsam zu verzweifeln anfing. Ich hoffe nur, dass sie letztendlich beide erfüllt werden.“ Sie betrachtete Olivia liebevoll.
Faith starrte ihre Mentorin an. Irgendwie hatte sie sich nie vorstellen können, dass Mrs. Heavenly jemals in der gleichen Position wie jetzt sie selbst gewesen sein könnte. Oder dass Mrs. Heavenly jemals einen Auftrag verpatzt hätte …
Aber wenn Mrs. Heavenly vor zehn Jahren versagt hatte, welche Chance hatte sie, Faith, dann überhaupt – selbst mit Mrs. Heavenlys Hilfe …?
10. KAPITEL
Olivia beobachtete Ethan, der mit gerunzelter Stirn auf die Fotografie blickte. Sie wusste auch, was er sah. Das Bild hatte sich ihr ins Gedächtnis eingebrannt, war abrufbar, wann immer sie es wollte.
Es zeigte einen auf jungenhafte Weise gut aussehenden Mann, der ein sechs Monate altes Kind auf dem Arm hielt. Beide lachten in die Kamera. Beide hatten gelacht, als Olivia das Foto aufgenommen hatte …
„Mein Mann Simon und mein Sohn Jonathan“, erklärte sie mit dumpfer Stimme.
Ethan hob den Kopf und schaute sie fragend an. „Was ist passiert?“
„Sie sind tot“, erwiderte sie heiser und zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen. „Seit zehn Jahren. Sie starben bei einem Autounfall. Ich … ich überlebte.“
Ethan legte die Aufnahme zurück auf den Tisch und musterte Olivia prüfend. „Hast du das wirklich?“, fragte er endlich sanft.
Sie holte tief Luft. „Natürlich …“
„Ich habe einen anderen Eindruck, Olivia.“ Ethan schüttelte langsam den Kopf. „Sicher, physisch magst du überlebt haben. Aber wenn ich mich nicht irre, hast du es zugelassen, dass der Mensch Olivia Hardy mit ihnen gestorben ist.“
Sie hatte all dies schon zuvor gehört. Das Leben muss weitergehen, Olivia. Du darfst dich nicht mit ihnen zusammen begraben, Olivia. Du bist noch jung genug, um wieder Liebe zu finden, Olivia. Und schließlich, verzweifelt: Wir können dir nicht helfen, wenn du nicht bereit bist, dir selbst zu helfen, Olivia. Oh ja, all das hatte sie schon gehört – es war der Grund, warum sie sich ihren Eltern so entfremdet hatte.
Sie meinten es gut. Das wusste sie. Wusste, dass sie sie liebten, dass es sie zutiefst schmerzte, als sie sich vor ihnen zurückzog, dass ihre gespannte Beziehung für die Eltern kaum zu ertragen war. Aber sie ertrug es einfach nicht, noch mehr solcher Sätze von ihnen zu hören. Schließlich würde nichts und niemand ihr die zwei Menschen zurückbringen, die sie von ganzem Herzen geliebt hatte.
Sie blickte ihn an, blass, ihre Augen verrieten nichts. „Ich kann nicht mehr lieben, Ethan“, sagte sie niedergeschlagen.
„Kannst nicht oder …“, fing er an, „… oder willst nicht?“
Die Herausforderung in seiner Stimme
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