Julia Gold Band 51
saß.
Sie hatte es dem glücklichen Brautpaar nicht antun können. Wie viel Pech hätten die beiden förmlich herausgefordert, wenn sie zugelassen hätten, dass das schwarze Schaf der Familie eine Hauptrolle auf ihrer Hochzeit gespielt hätte? Nein, es wäre nicht gut gegangen, das war ihnen allen klar gewesen – weshalb Christinas Mutter ihre Erleichterung kaum hatte verbergen können, als Evie die Bitte dankend abgelehnt hatte.
Ganz allerdings konnte sie ihrer Pflicht nicht entgehen. Als Schwester des Bräutigams war sie natürlich verpflichtet, an der Hochzeit teilzunehmen – und sei es nur Julian zuliebe. Schwarzes Schaf oder nicht, sie würde ihren Bruder nicht enttäuschen, dazu liebte und achtete sie ihn zu sehr.
Deshalb saß sie jetzt hier in dem Raum, den ihr die Beverleys im Ostflügel ihres wunderschönen Stammsitzes zugewiesen hatten, und bereitete sich auf das große Ereignis vor. Dabei war sie sich sehr bewusst, dass ihre Mutter in einem anderen Raum genau das Gleiche tat – vermutlich nicht allzu weit entfernt, denn Evie glaubte ihren Groll selbst durch die dicken Mauern des Schlosses zu spüren.
Warum grollte ihre Mutter ihr so? Weil Lady Lucinda Delahaye einst der Chance beraubt worden war, eine ebensolche Märchenhochzeit für ihre Tochter auszurichten, als Evie den Heiratsantrag eines Marquis abgelehnt hatte, um mit ihrem Geliebten zusammen zu sein.
„Er wird dich nicht heiraten!“, hatte ihre Mutter sie vor zwei Jahren ärgerlich gewarnt. „Du liebe Güte, er ist ein arabischer Prinz! Und anders als du kennt er seine Pflichten. Wenn es an der Zeit ist, wird er sich von dir abwenden und eine Frau aus seinen Reihen heiraten. Denk an meine Worte, Evie!“
Sie hatte an die Worte ihrer Mutter gedacht, dachte eigentlich ständig daran, und inzwischen rückte der Zeitpunkt ihrer endgültigen Trennung von Raschid derart bedrohlich nahe, dass sie an kaum etwas anderes denken konnte.
Du hattest zwei lange, unselige Wochen, um den Mut aufzubringen, Raschid das zu sagen, was du ihm sagen musst, tadelte Evie ihr Spiegelbild. Und was hast du getan? Du hast ihn für eine Woche nach Behran fliegen lassen und dich in der zweiten Woche nicht einmal in seine Nähe gewagt!
Ausreden. In jüngster Zeit war ihr Leben zu einer Reihe verlogener Ausreden verkommen. Seufzend betrachtete sie die Schatten unter ihren Augen, die selbst das perfekte Make-up nicht ganz verdecken konnte. Das ewige Grübeln und der fehlende Schlaf forderten ihren Tribut. Feigling! tadelte Evie sich erneut verächtlich.
Ein Klopfen an der Tür ließ Evie aus ihren Gedanken aufschrecken. Auf ihr „Herein“ hin wurde die schwere Eichentür geöffnet, und ihr Bruder Julian betrat das Zimmer. Er sah fantastisch aus, bekleidet mit einem förmlichen grauen Cut, silbergrauer Seidenweste und – krawatte.
„Hi“, begrüßte er Evie. „Wie fühlst du dich?“
Evie blickte lächelnd zu ihrem Bruder auf. „Das sollte ich dich fragen.“
Julian zuckte gelassen die Schultern, offenbar nicht im Geringsten nervös. Schließlich war dies keine sorgfältig arrangierte Hochzeit zwischen zwei Adelshäusern, sondern er liebte Christina aufrichtig, und sie vergötterte ihn. „Mutter hat gerade einen panischen Anfall, weil ihr Hut nicht richtig sitzt“, sagte er trocken. „Deshalb dachte ich, ich könnte mich hier verstecken.“
„Aber gern.“ Evie blickte ihm verständnisvoll nach, als er zum Fenster ging. Ihre Mutter konnte eine schreckliche Tyrannin sein, wenn sie im Stress oder verärgert war. An einem Tag wie diesem stand sie natürlich unter ungeheurem Druck, als Mutter des attraktiven, adeligen Bräutigams ihren Stand angemessen zu repräsentieren.
„Ich kann nicht glauben, dass man dich hier in der hintersten Ecke des Hauses untergebracht hat.“ Julian blickte ärgerlich auf die Stallungen unterhalb des Fensters, deren Hof man für den Tag zum Parkplatz umfunktioniert hatte.
Das geräumige Schloss hatte fünfzig Schlafzimmer, wobei die Gäste des Bräutigams im Ostflügel, die der Braut im Westflügel untergebracht worden waren. Je weiter man nach Osten vordrang, desto kleiner wurden die Zimmer – bis hin zu diesem Raum, der fast ganz von dem alten Himmelbett eingenommen wurde und zu dem ein winziges Bad mit uralten Installationen gehörte, eine unübersehbare Botschaft an das gefürchtete schwarze Schaf.
Evie drehte sich wieder zum Spiegel um. „Man hat mich hier untergebracht, weil es unübersehbar ein Einzelzimmer
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