Julia Gold Band 53
kommen. Aber welche Gene würden es schon wagen, sich Ihren Wünschen zu widersetzen?“
Ihr Spott tat weh. Wenn er, Hassan, ihr doch nur sagen könnte, was er dafür geben würde, Töchter wie sie zu haben. Jede mit dem Namen einer Blume, wie ihre Mutter. Was für einen Sinn hätte es gehabt, sie glauben zu machen, dass er ein Mann des einundzwanzigsten Jahrhunderts war? Er war es nun einmal nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um die Dinge ging, die ihr wichtig waren.
„Das liegt bei Allah, Rose.“
„Ach, ich verstehe“, erwiderte Rose ironisch. „Dann verstehe ich auch, warum es gleichgültig ist, wen Sie heiraten.“
Hassan zuckte innerlich zusammen, dennoch goss er erneut Öl ins Feuer. „Wer sagt, dass es gleichgültig ist? Da geht es um Familienbande. Mitgift. Diese Dinge sind sehr wichtig.“
„Finsterstes Mittelalter“, stellte sie entsetzt fest.
„Wenn Sie mir nicht glauben, haben Sie einen Seelenverwandten in Simon Partridge. Er meint, ich würde schnurstracks aufs vierzehnte Jahrhundert zugaloppieren.“
„Warum arbeitet er dann für Sie?“
„Das tut er nicht. Jedenfalls wird er es nicht mehr tun, sobald er Faisal nach Hause gebracht hat. Partridge hat sich fürchterlich darüber aufgeregt, dass ich Sie entführt habe.“
„Dann haben Sie recht, Hassan. Simon Partridge und ich werden uns blendend verstehen.“
Am liebsten hätte er ihre Hände genommen, ihr gesagt, dass er diese Heirat nicht wollte, dass ihm jedoch keine andere Wahl blieb. Endlich verstand er, wie hilflos sein Großvater sich vor Jahren gefühlt haben musste. Jetzt schämte Hassan sich, weil er damals nicht reif genug gewesen war, sich mit der Entscheidung des alten Mannes abzufinden und ihm in den letzten Wochen seines Lebens Frieden zu gönnen.
Wortlos bedeutete er Rose, sich zu setzen.
Einen Augenblick lang blieb sie stehen, dann sank sie auf die Kissen, als hätten ihre Knie plötzlich nachgegeben. Sie hatte die Knöpfe vergessen. Der Kaftan klaffte am Ausschnitt auseinander und bot Hassan einen Blick auf den Spitzen-BH, über dem sich der Ansatz ihrer Brust abzeichnete.
Um sich von dem quälenden Anblick abzulenken, setzte Hassan sich zu Rose. Schweigend nahm er ein Stück Brot, füllte es mit Lammfleisch, Petersiliensalat und Tomaten und bot es ihr an. Geistesabwesend nahm sie es entgegen, versuchte jedoch nicht, es zu essen.
Er füllte ein zweites Stück Brot für sich, nicht weil er hungrig war, sondern um seine Hände zu beschäftigen, damit sie nicht vollendeten, was Rose begonnen hatte.
Es war nicht viel, an das er sich klammerte, um die Beherrschung nicht zu verlieren: ein Stück Brot und eine unbekannte Braut, die zwischen ihm und allem stand, was er begehrte.
„Erzählen Sie mir von Ihrer Familie.“ Rose legte das Brot hin. Vielleicht war sie ja nicht hungrig. Oder sie brauchte ihre ganze Kraft, um sich gefasst zu geben. „Hat Ihre Mutter Ihren Vater geliebt?“
„Rose …“
„Ich weiß, dass sie sich ihren Ehemann nicht ausgesucht hat, aber hat sie ihn geliebt?“ Sie sah Hassan an und ertappte ihn dabei, wie er sie beobachtete. Er wandte sich zur Seite, brach ein Stück Brot ab und warf es einem hoffnungsvoll wartenden Star zu. „Kannte sie ihn, ehe sie ihn geheiratet hat?“, beharrte sie.
„Nein.“
„Überhaupt nicht? Sie haben nicht mal miteinander gesprochen?“
Während Rose darüber nachdachte, fragte Hassan sich, wie es sein musste, mit einem Mann verheiratet zu sein, dem man als Belohnung überlassen worden war. Und er überlegte, wie es sein musste, eine Frau in den Armen zu halten, die er nicht kannte, die ihm angetraut worden war, weil ihre Familien so entschieden hatten. Ein Mitspracherecht wurde der Frau dabei kaum zugestanden.
Was würde sie denken, wenn sie ihn sah? Was würde sie empfinden, wenn er sie berührte? Vom Standpunkt einer Frau aus hatte er die Sache noch nie betrachtet.
„Meine Mutter hat einmal gesagt, mein Vater wäre der schönste Mann gewesen, den sie je gesehen hätte.“ Auch er hatte rotes Haar gehabt.
„Ach ja? Dann hat sie ihn vorher gesehen?“
„Natürlich. Er lebte im Palast. Die Frauen wurden früher sehr viel mehr behütet, aber es gab nichts, das sie nicht wussten oder sahen. Fragen Sie Nadeem.“
„Ja, das werde ich.“
„Ist das für Ihren Artikel?“
Artikel? An den hatte sie, Rose, gar nicht mehr gedacht. Sie würde ihn schreiben, weil sie es Hassan versprochen hatte, doch das hier hatte nichts mit dem Bericht über einen
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