Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
und schrie auf. Obwohl der Wind jedes Wort verschluckte, wandte Arash sich um und trat mit ausgestreckter Hand rasch auf sie zu.
Sie fasste danach und fand ihr Gleichgewicht wieder. Ihr Herz raste so sehr, dass ihr schwindlig wurde. Sie presste die andere Hand auf ihre Brust und atmete erleichtert aus.
„Danke!“
Ihr Rucksack war schwer, und ein Sturz damit hätte böse ausgehen können. Doch Arashs Griff war fest, und er hielt ihre Hand, bis sie sicher stand. Ihr Herz hämmerte wie verrückt.
„Alles in Ordnung?“, fragte Arash. „Bald ist es einfacher.“
Sie nickte, und er ließ ihre Hand los, wandte sich um und schritt weiter.
Einen Moment lang stand Lana da und blickte stirnrunzelnd auf ihre Hand. Allein mit dieser kurzen Berührung hatte er ihre fast erfrorenen Finger gewärmt.
Nach einem langen, strapaziösen Aufstieg erreichten sie den Kamm, und die Welt verwandelte sich. Lana, die von der Anstrengung keuchte, schnappte nach Luft, als sie sah, was vor ihr lag.
Hinter ihnen lag das weißgraue Felsgestein der schneebedeckten Berge, aber zu ihren Füßen öffnete sich der Boden, als hätte jemand mit einem riesigen Messer in die Landschaft geschnitten und die beiden Hälften des Bodens auseinandergedrückt, sodass sich eine wunderbare Landschaft in einem riesigen, schönen Tal entfaltete.
„Das ist ja zauberhaft!“, rief Lana atemlos aus. „O Arash, wie schön. Das ist ja wie … wie Shangri-La!“
Überall grünte es bereits, und die ersten Knospen zeigten sich an den Bäumen. Ordentlich angelegte Obstgärten erstreckten sich in alle Richtungen, wie auch die Wälder.
Es gab Dörfer und Bauernhäuser mit den jahrhundertealten, terrassenartig angelegten Feldern, wie Lana sie in Parvan gewohnt war. Schafe und Ziegen tummelten sich auf den Wiesen, und das Läuten ihrer Glocken erklang in dem tosenden Sturm, während die Hirten ihre Tiere hastig nach Hause trieben.
Wie überall in Parvan sah man auch hier die Auswirkungen der Bomben der Kaljuks. Die terrassenartigen Felder waren zerstört, ein Haus ohne Dach war hilflos dem herannahenden Sturm ausgeliefert. Traurige Gerippe eines verbrannten Obstgartens reckten sich geisterhaft empor.
Doch ebenso zeigten sich auch überall schon Anzeichen, dass die Einwohner mit dem Aufbau beschäftigt waren. Hier sah Lana ein fast fertiges Dach, dort frische Ziegelsteine in dem wieder aufgebauten Turm einer Moschee und einige bereits gepflügte Felder.
Rechts von ihr durchschnitt ein Fluss das felsige Gestein und ergoss sich in einem riesigen, tosenden Wasserfall ins Tal. Von dort setzte er seine Reise wieder als Fluss fort, glänzte zwischen den bewachsenen hügeligen Ufern längs des Tals, bis er sich aus ihrem Blickfeld verlor.
Der Pfad, dem sie gefolgt waren, wurde plötzlich sichtbar, wo er durch das steilwandige Tal zum Fluss hinunterführte. Er verzweigte sich in viele Richtungen, und Lana erkannte, dass dieser Pfad die Einwohner mit der Karawanenroute und der Außenwelt verband.
Ein heftiger Windstoß trieb ihnen beißenden Schnee ins Gesicht, während sie innehielt und Luft holte. „Wir müssen uns beeilen, damit wir noch zu unserem Unterschlupf kommen. Es ist noch ein gutes Stück bis dahin“, sagte Arash.
„Ist das Tal von Minen befreit worden?“, fragte sie.
Er nickte. „Dieses Tal ist fast überwiegend von Minen verschont worden, da es so nahe der Grenze von Barakat liegt. Die Kaljuks hatten Angst, dass sich sonst die Emirate von Barakat an dem Krieg beteiligt hätten. Wenn einem Piloten ein Fehler unterlaufen und Minen oder Bomben auf der anderen Seite der Grenze gefallen wären …“
„Ich dachte, Zentralbarakat hat sich auf Prinz Kavis Seite gestellt.“
„Prinz Omar ist Kavis Cousin und meiner. Er hat inoffiziell im Krieg mitgekämpft. Seine Brüder haben uns mit Geld und Waffen unterstützt. Aber um die Emirate von Barakat nicht hineinzuziehen, haben die Kaljuks sich bemüht, ihnen nur ja keinen Anlass zu einer offiziellen Kriegserklärung zu bieten.“
„Also ist es hier dem Tal besser ergangen als anderen.“
Er wandte sich ihr kurz zu. „So ist es.“
„Wie heißt es denn?“, fragte sie, doch Arash schüttelte den Kopf.
„Heb dir deine Fragen für später auf, Lana.“
Er wählte nicht den Hauptweg, der links steil nach unten führte, sondern einen weniger sichtbaren Trampelpfad rechts, der geradewegs auf den Wasserfall zuführte. Oben auf dem grünen Kamm schien es mehr eine Ziegenspur als ein Weg.
Plötzlich
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