Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
hinhielt. Er selbst nahm einen zweiten, wesentlich größeren und schwang ihn sich auf den Rücken.
„Fertig?“, fragte er.
Zusammen würden sie also dem Sturm die Stirn bieten. Ihr Überleben hing von einem reibungslosen Zusammenspiel ab. Lana war sich nicht sicher, ob sie das schaffen würden.
Lana hatte die Universität in London besucht, um ein Abenteuer zu erleben, eine Reise zu machen und sich von den Einschränkungen zu befreien, die der Reichtum ihres Vaters mit sich brachte.
Sie war in einer durchschnittlich wohlhabenden Familie aufgewachsen und hatte ihren Vater selten zu Gesicht bekommen. Ihre Mutter hatte sich ganz um Haushalt und Familie gekümmert. Sie verbrachte nur wenig Zeit mit ihrem Vater, weil er ganz mit Computern beschäftigt war. Als Lana fünf Jahre alt gewesen war, hatte er den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.
Innerhalb von zehn Jahren war Jonathan Holding zum Billionär geworden, und Lanas Leben hatte sich restlos verändert. Natürlich hatte sie die Freiheiten, die solcher Reichtum mit sich brachte, genossen, aber sie hatte auch die Beschränkungen zu spüren bekommen.
Schlimm hatten Ruhm und Reichtum sich auf Freundschaften ausgewirkt. Sie war gerade sechzehn gewesen, als ein Jungen sie vergewaltigen wollte. Nach einem entsprechend gezielten Tritt von Lana hatte er sich, angetrunken wie er war, entschuldigt und gestanden, er hätte unbedingt damit prahlen wollen, dass er Jonathan Holdings Tochter entjungfert hätte.
Er war Student einer nahe gelegenen Privatschule für Jungen. An dem Abend hatte sie erfahren, dass es unter den Jungen einen Wettkampf gab, dessen Ziel es war, den Slip einer Jungfrau zu gewinnen und an die Spindtür zu hängen. Lana Holdings Slip wäre ebenso ein Ehrenabzeichen für einen der Jungen gewesen wie der einer Tochter eines Filmstar, die mit ihr studierte.
Nach dieser Erfahrung war Lana übervorsichtig geworden. Sie hatte ihren Freundinnen zugehört, wenn sie sich über Sex unterhielten. Als ihre eigene schlechte Erfahrung allmählich verblasste, wurde ihr klar, dass sie mehr von einem Jungen wollte als nur seine Entschlossenheit, ihr den Slip abzujagen. Und auch mehr für sich als nur die Reaktion auf einen Hormonschub.
Deshalb hatte sie sich entschieden, im Ausland zu studieren. Mit etwas Glück würde sie dort niemand kennen. Sie hatte den Mädchennamen ihrer Mutter angenommen, um unerkannt zu bleiben. Aber ihr Vater hatte darauf bestanden, dass sie in einem Haus mit hohen Sicherheitsvorkehrungen wohnte.
Lana hatte sich einsam gefühlt, bis sie ihre beste Freundin, Alinor, zu sich eingeladen hatte.
Alinor zog sofort die Aufmerksamkeit des geheimnisvollen Studenten, Kavian Durran, auf sich. Den Gerüchten nach war er ein Mitglied der Herrscherfamilie von Parvan. Überall, wo er hinging, wurde er von zwei Parvani begleitet, Freunde, die immer bei ihm waren. Man erzählte sich, sie wären seine Leibwächter.
Einer von ihnen hieß Arash Koshravi.
3. KAPITEL
Lana biss hungrig in ein Stück naan . „Wo sind wir?“, fragte sie.
Sie hatten gegen schwere Windböen angekämpft und waren über eine Stunde einen felsigen Weg hinaufgeklettert. Falls es tatsächlich einen Weg gab, so hatte sie jedenfalls keine Anzeichen davon entdecken können.
Vor jedem Schritt hatte sie Angst gehabt. Der Gedanke, was passieren könnte, wenn Arash auf eine Mine treten würde, setzte ihr zu. Sie hatte die Zähne so fest aufeinandergebissen, dass ihr der Kiefer schmerzte. Das darf nicht passieren, hatte sie im Stillen gefleht.
Er hatte es aber geschafft, sie sicher bis zur ersten Rast zu bringen. „Fünf Minuten Pause“, hatte er vorgeschlagen und kritisch den Himmel betrachtet. Der erste Schnee fiel bereits, während er das sagte, und im Nu war der Boden von einer feinen Schicht bedeckt.
Arash hatte trotz seines Knies ein anstrengendes Tempo vorgegeben. Lana verstand, dass er gehofft hatte, ihr Ziel zu erreichen, ehe der erste Schnee fiel. Er verbarg auch nicht seine Nervosität.
„In die Richtung“, erwiderte er und deutete nach Süden. „Das ist nicht weit von der Grenze von Barakat. Ich schätze, das sind etwa zweiunddreißig Kilometer.“
„Und in die Richtung wollen wir?“
Es war noch etwas warme Suppe vom Mittagessen übrig, die ihnen am Morgen eine Frau in Seebi-Kuchek, dem Dorf, in dem sie die Nacht verbracht hatten, in die Thermosflasche gefüllt hatte, und Lana war glücklich darüber.
Sie hatten nur den Deckel der Thermoskanne als Tasse.
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