Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 04
zurückverfolgt“, bemerkte Jana. „Wie kommst du überhaupt darauf, dass er ein Machthaber ist? Mir wurde gesagt, es handele sich um eine reiche Familie mit Beteiligungen an Minenvorkommen.“
„Schatz, alle wichtigen Familien im Orient stehen mit dem jeweiligen Herrscherhaus in Verbindung. Das ist einfach so.“
Jana unterließ es, ihr zu erklären, dass es in England nicht anders war. „Niemand hat etwas davon gesagt.“
Ihre Mutter zuckte mit den Achseln. „Trotzdem verstehe ich nicht, dass du glaubst, du würdest dort weniger eingeschränkt leben, Jana, als hier. In der Hälfte der Länder dort werden die Frauen gezwungen, wieder den Schleier zu tragen.“
„Man hat mir versichert, dass die Familie und auch das Land liberal denken, was Frauenrechte betrifft. Meine Aufgabe wird es sein, der siebenjährigen und der neunjährigen Tochter des Hauses Englisch beizubringen. Dabei werde ich mich weniger eingeengt fühlen, als wenn mir verboten wird, nach einer Methode zu unterrichten, die funktioniert“, fügte Jana mit leichter Verbitterung hinzu.
Ihre Mutter runzelte besorgt die Stirn. „Du bist einfach zu impulsiv. Bitte, Schatz, denk noch einmal darüber nach.“
„Ich will von hier weg, Mutter“, erklärte sie bedrückt.
Was hatte der Untersuchungsausschuss erklärt? „Es wird Ihnen nicht ausdrücklich verboten, diese Lehrmethode anzuwenden, Miss Stewart.“ Jana hatte gewusst, dass damit ihre Karriere zu Ende war. „… aber Sie dürfen nicht den nationalen Lehrplan missachten. Zuallererst müssen Sie sich nach den bewährten Methoden richten. Ihre Methode können Sie als Unterstützung hinzuziehen.“
„Es ist aber nicht möglich, nach beiden Methoden zugleich zu unterrichten“, hatte Jana sich gewehrt. Der Schulrat hatte sich zwar ihre leidenschaftlichen Argumente angehört, war jedoch nicht von seiner Entscheidung abgewichen und schien sichtlich erleichtert, als sie ihre Kündigung einreichte.
Natürlich hatten die Medien für sie Partei ergriffen. Es war die Geschichte, die ihnen gefiel. Doch mit Zeitungsartikeln und Auftritten in Talkshows ließ sich der nationale Lehrplan nicht ändern.
Vielleicht hätte sie kämpfen sollen. Aber Jana war die berühmte Energie der Stewarts dafür ausgegangen. Sie fühlte sich eher wie ihr entfernter Verwandter, Bonnie Prinz Charlie, nach der Schlacht von Culloden: geschlagen.
Die Anzeige, in der eine Privatlehrerin für eine „angesehene Familie in den kleinen, aber wohlhabenden Emiraten von Barakat“ gesucht wurde, hatte ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Stelle war für ein Jahr ausgeschrieben und schien Jana genau richtig, um sich zu erholen.
„Es gibt andere Möglichkeiten, von hier wegzugehen, als eine Stelle in den Emiraten von Barakat anzutreten“, bemerkte ihre Mutter.
Jana hob die Achseln. Sie kannte die Vorschläge ihrer Mutter, eine Segeltour in den Malediven oder ein Urlaub in Griechenland. Beides reizvoll, das musste Jana zugeben, aber nicht unter den Umständen, wie ihre Mutter sich das vorstellte, nämlich in Begleitung von Peter, dem Mann, den die ganze Familie verehrte.
„Mutter, darüber haben wir bereits gesprochen.“
„Jana, ich finde wirklich, dass ein paar Wochen in …“
„Mutter.“
„Ja, Schatz.“
„Ich werde Peter nicht heiraten“, erklärte Jana nachdrücklich.
„Aber, Schatz, warum sagst du das? Er ist so …“
Jana musste lachen. Ihre Mutter konnte sich nicht verstellen. Ihre Eltern hielten Peter für den idealen Mann. Er käme wunderbar mit ihren jüngeren Geschwistern aus. Das wusste sie auch. Leider war er nicht der richtige Mann für Jana. In nichts stimmten sie überein.
Auf ihr Lachen hin verstummte ihre Mutter. Sie schaute Jana nur an und machte eine resignierte Geste. „Dann nimm wenigstens den Rolls“, drängte sie.
Jana gab nach. Sie wusste, dass ihre Mutter sie manipuliert hatte, aber ihre Widerstandskraft war gering, und wenn die ganze Familie auf sie eingeredet hätte, Peter zu heiraten … Jana biss die Zähne aufeinander. Sollte ihr die Stelle angeboten werden, würde sie sie annehmen, selbst wenn es sich um einen orientalischen Machthaber handelte.
2. KAPITEL
Eine Stunde später kletterte Jana anmutig vom Rücksitz des dunkelblauen Rolls und wirkte trotz der Hitze in der Stadt frisch.
In den vergangenen sechs Wochen hatte sie drei Vorstellungsgespräche mit Beauftragten der Familie geführt und glaubte, eine gute Chance zu haben. Sie besaß die richtige Erfahrung für
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