Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
nächsten Zeit werde ich mich nicht mehr bei dir melden können. Regierungsgeschäfte …“
Es knackte und krachte in der Leitung, und John Feinnes’ Stimme wurde so verzerrt, dass Xenia nur noch ahnen konnte, dass ihr Patenonkel ihr zum Abschied noch versicherte, dass er sie liebte. Ehe sie etwas antworten konnte, war die Verbindung gänzlich zusammengebrochen. Unglücklich blickte sie auf das Handy in ihrer Hand. Zu schade, dass sie ihren Patenonkel nicht noch hatte bitten können, ihr ihren Pass zuzusenden! Jetzt blieb ihr als einziger Ausweg aus dieser unerwünschten Heirat wirklich nur noch der Weg über Blaize.
Allein bei dem Gedanken an ihn jagte ihr schon wieder ein verräterischer Schauer über den Rücken. Sie durfte sich von seinem Charme nicht einwickeln lassen und nicht vergessen, dass dieser Gigolo für sie einzig und allein Mittel zum Zweck war!
Sie wollte das Handy wieder weglegen, als ihr etwas ganz anderes in den Sinn kam. Vielleicht sollte sie sich aus reiner Höflichkeit nach dem Gesundheitszustand ihres Großvaters erkundigen. Etwas nervös wählte sie die Nummer des Familiensitzes. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine ihr fremde Männerstimme. Zögernd nannte Xenia ihren Namen und fragte nach ihrer Tante. Kurz darauf atmete sie erleichtert auf, als sie Sorayas vertraute Stimme hörte, und erkundigte sich ein wenig befangen nach ihrem Großvater.
„Er hatte eine gute Nacht“, sagte Soraya. „Aber er ist immer noch sehr schwach. Und er ist so eigensinnig. Obwohl der Arzt es ihm verboten hatte, hat er sich von seinem Diener zum Morgengebet fahren lassen, ehe ich es verhindern konnte. Ich werde ihm sagen, dass du dich nach ihm erkundigt hast, Xenia. Das wird ihm viel bedeuten. Es wird jetzt bestimmt nicht mehr lange dauern, bis du ihn persönlich kennenlernen kannst. Übrigens hätte ich dich sowieso noch angerufen. Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht Lust hättest, morgen früh mit mir auf den Gewürz- Souk zu gehen. Und danach könnten wir vielleicht zusammen zu Mittag essen.“
„Das ist eine nette Idee“, willigte Xenia ein wenig gezwungen ein. Die Freundlichkeit ihrer Tante machte ihr jedes Mal ein schlechtes Gewissen.
Plötzlich überkam sie das dringende Bedürfnis, Blaize aufzusuchen. Zwar hatte er gesagt, er würde sich mit ihr in Verbindung setzen, aber sie wollte sofort klarstellen, dass sie und nicht er bei ihrem gemeinsamen Handel die Zügel fest in der Hand hielt!
Eine halbe Stunde später stand sie am Strand und erkundigte sich vergeblich bei dem jungen Mann, der sich an diesem Tag um die Windsurfer kümmerte, nach Blaize. Doch der junge Mann schien Blaize nach ihrer Beschreibung gar nicht zu kennen. Schließlich gab sie es frustriert auf und kehrte ins Hotel zurück. Warum hatte sie sich von Blaize nicht eine Telefonnummer geben lassen? Wie es aussah, musste sie jetzt wirklich abwarten, bis er sich bei ihr melden würde.
Obwohl es Mittagszeit war, hatte sie eigentlich keinen richtigen Appetit, jedenfalls keinen, der sich durch Essen hätte befriedigen lassen! Gestern Abend hatte es sie geärgert, wie Blaize sie wegen ihrer Jungfräulichkeit aufgezogen hatte, und die Gefühle, die er in ihr geweckt hatte, hatten sie beunruhigt. Natürlich hatte sie es sich nicht gewünscht, aber wenn er sie zum Abschied geküsst hätte … errötend betrat sie den Aufzug und betätigte den Knopf für ihre Etage.
Was war nur mit ihr los? Nur weil sie noch Jungfrau war, hieß das doch nicht, dass sie so gehemmt oder naiv war, dass ein einziger Blick eines Gigolos genügte, um sie völlig aus der Fassung zu bringen! Aber wenn Blaize sie geküsst hätte … dann hätte sie sicher genügend Verstand besessen, ihn zurückzuweisen und zum Teufel zu schicken! Ihre Beziehung war rein geschäftlicher Natur, und so sollte es auch bleiben!
Als die Lifttüren aufglitten, ging sie über den Flur zu ihrer Suite, öffnete die Tür und blickte sich mit angehaltenem Atem um. Diesmal lag kein fast unbekleideter Mann auf ihrem Bett … sehr zu ihrer Erleichterung! Jedenfalls redete sie sich das ein.
Eine halbe Stunde später studierte sie einen Stadtführer und entschied sich für einen empfohlenen Stadtrundgang, der durch die Altstadt führte und den Besuch des Stadtpalasts eines früheren Herrschers einschloss. Das Gebäude beherbergte inzwischen ein Museum zur sozialen, kulturellen und religiösen Geschichte des Landes. Ja, es würde ihr guttun, einmal an etwas anderes zu denken als an
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