Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 05
ihren Großvater und die Probleme, die er ihr verursachte. Xenia zog sich entschlossen eine weiße Leinenhose und ein luftiges, langärmeliges Baumwolltop an, nahm ihre Handtasche und verließ das Hotel.
Während sie vor dem Hotel darauf wartete, dass der Portier ihr ein Taxi rief, setzte sie ihre Sonnenbrille auf und blickte sich um. Unweit sah sie aus dem Augenwinkel eine schwarze Stretchlimousine vorfahren. Sofort eilten eine Hand voll dienstbeflissener Helfer hinzu, um die Türen aufzuhalten, und mehrere sehr bedeutsam aussehende Herren in den typischen einheimischen Gewändern stiegen aus. Während Xenia sie neugierig, aber verstohlen betrachtete, zuckte sie plötzlich zusammen und schüttelte im nächsten Moment den Kopf. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie tatsächlich geglaubt, in einem der Männer Blaize zu erkennen! Wie lächerlich! Ganz offensichtlich war es nicht nur ihr Großvater, den sie sich dringend aus dem Kopf schlagen musste!
Erst als Xenia das Museum verließ, wurde ihr bewusst, wie lange sie dort verbracht hatte. Es war inzwischen dunkel geworden! Sie atmete tief ein, den Kopf noch ganz voll von allem, was sie gesehen hatte.
Es war nicht nur die Geschichte und Vergangenheit Zurans, sondern auch ein ganz wesentlicher Teil ihrer eigenen Biografie, womit sie sich im Lauf dieses Nachmittags vertraut gemacht hatte. Kein Wunder, dass das Museum sie derart gefangen genommen hatte! Zum ersten Mal war sie sich ihrer Beduinenwurzeln wirklich bewusst gewesen und hatte zarte Anfänge einer Zugehörigkeit empfunden. Zum ersten Mal gestand sie sich das Bedürfnis ein, mehr über dieses Land erfahren zu wollen … und zwar nicht ihrer Mutter zuliebe, sondern um ihrer selbst willen.
Von der Wüste her wehte eine frische Abendbrise, und Xenia wandte das Gesicht dorthin. Dort waren ihre Wurzeln, ihre Vergangenheit, ihr Schicksal. Sie war Teil einer stolzen Rasse, die dieses Land schon zu Kleopatras Zeiten durchwandert hatte. Gedankenverloren bückte Xenia sich, nahm eine Hand voll Sand auf und ließ ihn langsam durch die Finger rinnen. Ihr Land … Sie blinzelte gegen Tränen an.
Eine Besuchergruppe kam aus dem Museum und eilte an ihr vorbei. Einer rempelte Xenia versehentlich an, und der Bann war gebrochen. Sie merkte plötzlich, dass sie richtig hungrig war. Rasch winkte sie ein Taxi heran und fuhr zum Hotel zurück.
Xenia hatte sich einen Tisch im italienischen Restaurant der Hotelanlage reserviert. Sie trug an diesem Abend ein schlichtes schwarzes Leinenkleid, das vorne durchgeknöpft war. Der rechteckige Ausschnitt betonte ihre zierlichen Schultern und den schlanken Hals. An ihrem zarten Handgelenk funkelte dezent ein einzelner Goldreifen, der einmal ihrer Mutter gehört hatte. Xenia tastete jetzt unwillkürlich danach, als könnte sie darin Kraft finden. Sie war es nicht gewöhnt, allein in einem Restaurant essen zu gehen, aber es war immer noch besser, als einsam in ihrem Hotelzimmer zu essen.
Am Empfang im Hotel hatte man ihr erklärt, dass das italienische Restaurant in einem eigenen Gartenhof liege und leicht zu Fuß oder mit einer Gondel zu erreichen sei. Eine Gondelfahrt kam für Xenia nicht in Frage, denn das hätte sie nur an den gestrigen Abend und an Blaize erinnert. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie den ganzen Tag insgeheim darauf gewartet, dass er sich bei ihr melden würde. Doch er hatte es nicht getan. Weil er seine Zeit mit einem „lohnenswerteren Objekt“ – sowohl in finanzieller wie in sexueller Hinsicht – verbracht hatte? Xenia hatte ja selber zur Genüge gesehen, dass es in seiner Umgebung keinen Mangel an weiblichen Bewunderern gab. Eifersüchtig? Sie riss sich energisch zusammen. Natürlich nicht! Sie, und eifersüchtig auf die Frauenbekanntschaften dieses Gigolos? Lächerlich!
Das Restaurant war wirklich ganz in der Nähe. Xenia brauchte nur das Hotel zu verlassen und um die Ecke zu gehen und fand sich schon in dem Hof wieder, den man ihr beschrieben hatte. In der Mitte befand sich ein großes Becken mit spektakulären Wasserspielen. Kinder standen am Rand und beklatschten und bejubelten begeistert die hoch aufsteigenden Fontänen. Lächelnd ging Xenia an ihnen vorbei und betrat das Restaurant.
Die italienische Trattoria war genauso authentisch wie das französische Restaurant am Abend zuvor, bis hin zu einem Tischmusikanten und den tatsächlich waschechten italienischen Obern, die Xenia fürsorglich zu ihrem Tisch geleiteten und sie sofort mit einer
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