Julia Quinn
werden doch nicht mit Pistolen im Morgengrauen gegeneinander
antreten.«
»Ich rede nicht von einem Duell«, erklärte Marcus. »Ich
meine, dass ich Sie auf der Stelle umbringen werde.«
»Sie sind ja verrückt!«, keuchte Mr
Grimston.
Marcus zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht.«
Mr Grimston sah von Marcus zu seiner
Begleiterin, von dort in die Menge und wieder zu seiner Begleiterin. Niemand
schien sich bemüßigt zu fühlen, ihm irgendwie behilflich zu sein, und so gab er
nach, wie jeder Dandy, dem eine Tracht Prügel angedroht wurde. Er räusperte
sich, wandte sich zu Honoria und sagte, den Blick starr auf ihre Stirn
gerichtet: »Ich bitte um Entschuldigung, Lady Honoria.«
»Machen Sie es ordentlich«, stieß Marcus
hervor.
»Ich entschuldige mich«, sagte Mr Grimston mit zusammengebissenen
Zähnen.
»Grimston ...«, warnte Marcus.
Schließlich senkte Mr Grimston den Blick, bis er Honoria in die
Augen sah. »Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung entgegen«, sagte er zu
ihr. Er klang fuchsteufelswild, aber er sagte es.
»Danke«, sagte sie rasch, ehe Marcus zu dem Schluss kommen konnte,
dass auch diese Entschuldigung nicht angemessen war. »Und jetzt gehen
Sie«, befahl Marcus.
»Ich würde nicht im Traum daran denken, noch länger hierzubleiben«,
erklärte Mr Grimston und rümpfte die Nase.
»Ich werde Sie doch noch schlagen müssen«, sagte Marcus und
schüttelte ungläubig den Kopf.
»Das wird nicht nötig sein«, erklärte Mr Grimstons Begleiterin
rasch und warf Marcus einen wachsamen Blick zu. Sie trat vor, packte ihren
Gentleman am Arm und zog ihn einen Schritt zurück. »Vielen Dank«, sagte
sie zu Honoria, »für diesen reizenden Abend. Falls sich jemand erkundigt, so
werde ich sagen, dass es keine besonderen Vorkommnisse gab.«
Honoria wusste immer noch nicht, wer sie war, nickte aber
trotzdem.
»Gott sei Dank, die sind weg«, brummte Marcus, als die beiden
Störenfriede das Haus verlassen hatten. Er rieb sich die Knöchel. »Ich hatte
eigentlich keine Lust, schon wieder jemanden zu schlagen. Dein Bruder hat
einen harten Schädel.«
Honoria lächelte. Es war ein denkbar
ungünstiger Zeitpunkt für ein Lächeln. Daisy lag immer noch auf dem Boden und
stöhnte in ihrer gespielten Ohnmacht, Lady Danbury ließ jeden, der bereit war,
ihr zuzuhören, mit bellender Stimme wissen, dass es »nichts zu sehen«
gebe, und Iris hörte nicht auf, sie mit Fragen zu bestürmen.
Doch Honoria hörte gar nicht hin. »Ich liebe dich«, sagte
sie, sobald Marcus' Blick auf sie fiel. Eigentlich hatte sie es in diesem
Moment gar nicht sagen wollen, doch sie konnte es nicht länger für sich
behalten. »Ich liebe dich. Für immer.«
Anscheinend hatte sie jemand gehört, und dieser Jemand erzählte es
einem anderen, der es wiederum weitererzählte, und binnen weniger Augenblicke
senkte sich erwartungsvolles Schweigen über den Raum. Und erneut fand Marcus
sich im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses wieder.
»Ich liebe dich auch«, erklärte er mit klarer, fester Stimme.
Und dann ergriff er ihre Hände, ließ sich auf ein Knie nieder und sagte:
»Honoria Smythe-Smith, wirst du mir die große Ehre erweisen, meine Frau zu
werden?«
Honoria versuchte Ja zu sagen, doch vor Ergriffenheit war ihr die
Kehle wie zugeschnürt. Und so nickte sie nur. Sie nickte unter Tränen. Sie
nickte so schnell und so heftig, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren
hätte und ihr gar nichts anderes übrig blieb, als sich in seine Arme zu
stürzen, nachdem er sich wieder erhoben hatte.
»Ja«, flüsterte sie schließlich.
»Ja.«
Iris erzählte ihr später, dass daraufhin der ganze Raum in Jubel
ausgebrochen war, aber Honoria bekam davon nichts mit. In diesem perfekten
Augenblick gab es nur Marcus und sie und die Art, wie er sie anlächelte,
während er seine Nase an ihre drückte.
»Ich wollte es dir auch sagen«, erklärte er, »aber du bist
mir zuvorgekommen.«
»Ich wollte es eigentlich gar nicht
sagen«, räumte sie ein.
»Ich habe auf den richtigen Zeitpunkt
gewartet.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn, und diesmal
hörte sie den lauten Applaus ringsum. »Ich glaube, jetzt ist der
richtige Zeitpunkt«, flüsterte sie.
Anscheinend war er ebenfalls dieser Meinung, denn er küsste sie
noch einmal. Vor allen Leuten.
Epilog
Ein
Jahr später.
Ich bin mir nicht sicher, ob wir in der ersten Reihe den besten Blick
haben«, sagte Marcus und sah sehnsüchtig auf die vielen leeren Plätze
weiter
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