Julia Sommerliebe 0023
aßen.
Natürlich dachte sie. Der Mann sieht gut aus, ist einflussreich und hat jede Menge Geld. Solche Männer geben sich normalerweise nur mit Frauen ab, mit denen sie sich in der Öffentlichkeit schmücken können. Und dann lassen sie sie wieder fallen, um sich gleich die nächste zu suchen. Das kannte Zoe nur zu gut aus eigener Erfahrung.
Schnell verdrängte sie die schmerzhaften Erinnerungen und setzte ein strahlendes Lächeln auf, während der Kellner das Geschirr abräumte. „Woran arbeiten Sie eigentlich gerade?“
„Ach, davon verstehen Sie sowieso nichts“, gab Leandro zurück.
Das weckte Zoes Neugierde – und ihren Ärger. „Lassen Sie es doch mal drauf ankommen.“
Er zuckte mit den Schultern. „Also gut. Ich beschäftige mich mit dem Thema Risikoanalyse. Ich bin nämlich Aktuar für den Bereich Finanzplanung, Spezialgebiet Cashflow-Analyse.“ Als Zoe ihn verständnislos anschaute, fuhr er belustigt fort: „Statistische Modellierung, stochastische Simulationen, Preisstrategien. Sie verstehen doch, was ich meine?“ Seine Augen funkelten.
Zoe schüttelte den Kopf. „Nein, nein und nochmals nein.“
Inzwischen grinste er über das ganze Gesicht.
Zoes Herzschlag beschleunigte sich, und ihr wurde schwindelig. Ob ihm wohl bewusst war, was für eine Wirkung er auf Frauen hatte? Leandros grünblaue Augen strahlten wie der Comer See im Sonnenschein. Er wirkte plötzlich wie ein anderer Mann, seine harte Schale war für einen Moment von ihm abgefallen. Und dahinter verbarg sich ein charmanter, humorvoller Mann, der so gar nicht kalt war. Im Gegenteil, er hatte sichtbar Leidenschaft in sich – wofür auch immer …
Zoe war wie verzaubert von diesem kurzen Moment, in dem Leandro seine Fassade aufgegeben hatte.
„Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie nichts davon verstehen“, sagte er, und Zoe kam wieder auf dem Boden der Tatsachen an. Schon war die Magie des Augenblicks vorbei.
„Tja, jedenfalls verdienen Sie damit wohl eine Menge Geld“, stellte sie fest. Sie war niemand, der sich in Träumen verlor. Wenn er wollte, konnte sie durchaus sachlich mit ihm diskutieren.
Schon wieder so eine, die sich nur für sein Vermögen interessierte! Leandro sah Zoe wütend an. „Allerdings, obwohl Sie das ehrlich gesagt gar nichts angeht! Aber ja, ich habe mich damit selbstständig gemacht und bin damit ziemlich erfolgreich.“
Offenbar hatte er jetzt genug von dem Thema und außerdem von ihrer Gesellschaft, denn er stand auf und bat den Kellner mit einer Handbewegung um die Rechnung. Kurz darauf hatte er schon alles erledigt und verließ zielstrebig das Restaurant. Offenbar erwartete er, dass sie ihm folgte, jedenfalls sah er sich nicht nach ihr um.
Widerwillig lief sie ihm hinterher und hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
Außerhalb des kleinen Ortes Lornetto war die Straße nicht mehr beleuchtet, und Zoe konnte kaum noch sehen, wo sie gerade hintrat. Abgesehen von dem Mondlicht, das sich silbern im See spiegelte, war es völlig dunkel. Als Zoe auf dem unebenen Kopfsteinpflaster stolperte, griff Leandro nach ihrem Arm, um sie zu stützen.
„Hoppla!“, raunte er ihr zu. „Dabei haben Sie nicht mal einen Wein getrunken. Obwohl Sie sich gern ein Glas bestellt hätten, stimmt’s?“
Schon wieder begann ihr Herz wie wild zu hämmern. Verdammt, kann er in mich hineinschauen? dachte Zoe und blickte zu ihm hinüber. Aber in der Dunkelheit erkannte sie nur seine Augen und seine weißen Zähne. „Woher wissen Sie das?“, erkundigte sie sich. Es klang ein bisschen unsicher.
Leandro ließ die Hand wieder sinken und wandte sich ab. „Na ja, bei Mädchen wie Ihnen … man weiß ja genau, worauf die aus sind.“ Es klang kalt und abfällig.
Zoe wusste nicht, wie sie auf diese Anspielung reagieren sollte. Abrupt blieb sie mitten auf der Straße stehen. „Wie meinen Sie das – bei einem Mädchen wie mir?“
Auf einmal kam es ihr so vor, als hätte ihr jemand eine Faust in den Magen gerammt. So etwas Ähnliches hatte Steve schon zu ihr gesagt … und wahrscheinlich hatte er sich etwas Ähnliches dabei gedacht.
Noch einmal brauchte sie derartige Vorwürfe wirklich nicht zu hören.
Jetzt drehte sich Leandro wieder zu ihr um. „Das müssten Sie doch am besten wissen, oder?“, gab er aufgebracht zurück.
Offenbar erwartete er keine Antwort auf seine Gegenfrage – weil ihnen beiden klar war, was er damit hatte sagen wollen. Er maßte sich tatsächlich an, über sie urteilen zu können! Dabei
Weitere Kostenlose Bücher