Julia Sommerliebe 0023
das Ticket, das vor ihr auf dem Bett lag. Schließlich seufzte sie resigniert. „Na gut. Aber ich hoffe, du kommst wirklich bald nach. Das ist mein Ernst.“
„Sobald ich wegkann. Versprochen. Mach dir eine schöne Zeit, Abby. Entspann dich einfach und lass es dir gut gehen.“
Lass es dir gut gehen. Diesen Satz hörte sie jetzt überdeutlich in ihrem Kopf nachhallen. Abigail hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie damit anfangen sollte. Nicht hier, in dieser ungewohnten Umgebung.
Am liebsten hätte sie sich etwas beim Zimmerservice bestellt und es sich mit einem der sechs Taschenbücher, die sie mitgenommen hatte, gemütlich gemacht. Aber das ging nicht, denn Rachel hatte schon angerufen und sich versprechen lassen, dass Abigail nicht im Hotel bleiben würde.
Und deshalb trug sie jetzt ihren goldfarbenen Glitzerbikini. Sie kam sich vor wie ein Dessousmodel bei einer Modenschau von Victoria’s Secret.
Der Bikini war hübsch. Das Oberteil hatte einen leichten Push-up-Effekt. Zwischen den beiden Körbchen und an den Seiten des extrem hüftbetonten Unterteils saßen Verzierungen aus Strass.
Und die Farbe ließ ihre blasse Haut fast ein wenig glühen – das war das stärkste Argument gewesen, mit dem Rachel sie zum Kauf überredet hatte.
Sie hatte einen dazu passenden Sarong, Sandalen, einen Hut mit breiter Krempe und eine große Sonnenbrille.
Fehlten nur noch goldfarbene überdimensionale Flügel am Rücken, dann könnte sie sofort auf den Laufsteg stolzieren … Aber es ging ja an den Strand, und das war fast noch schlimmer. Schließlich durfte man den lebensbedrohlichen Aspekt dieser Unternehmung nicht außer Acht lassen.
Jeder Quadratzentimeter von Abigails Körper war mit einer dicken Schicht Sonnenmilch bedeckt. Rachel hatte sich darüber lustig gemacht, dass sie ihre empfindliche Haut mit Lichtschutzfaktor 30 schützte, deshalb hatte Abby ihr nicht erzählt, dass sie sich vorsichtshalber auch noch mit Faktor 45 und 50 eingedeckt hatte.
Nachdem sie sich von dem ungewohnten Anblick im Spiegel des Hotelzimmers losgerissen hatte, atmete sie einmal tief durch und schulterte ihre riesige orangefarbene Strandtasche. Sie konnte sie kaum heben … Darin steckten ein großes Badelaken, zwei Handtücher, ein paar Snacks und drei Bücher sowie zwei Zeitschriften.
In die andere Hand nahm sie eine Kühlbox mit Eis und diversen Getränken.
Abigail war bereit für ihren ersten Tag am Strand von Fort Lauderdale. Jetzt brauchte sie nur noch einen der XXL-Sonnenschirme zu mieten, und der Urlaub konnte beginnen.
Sie atmete noch einmal tief durch und trat auf den stillen Hotelflur hinaus.
Die Zimmertür fiel hinter ihr zu, traf sie am Po und brachte sie mitsamt ihren zwanzig Kilo Gepäck aus dem Gleichgewicht. Sie hielt sich an der Wand fest und seufzte leise. Ich bin einfach kein Mensch für so einen Singleurlaub, dachte sie bedrückt.
Aber sie hatte Rachel nun mal versprochen, es wenigstens zu versuchen – auch wenn sie dabei absolut lächerlich aussah.
Michael Mastrianis Muskeln brannten höllisch. Keuchend rannte er durch die auslaufenden Wellen. Er konzentrierte sich ganz auf seine Atmung, während er sich dem Wendepunkt seines täglichen Zehnmeilenlaufs näherte.
Fünf Meilen den Strand entlang, fünf Meilen zurück, die ganze Zeit unter der glühenden Sonne Floridas.
An Tagen, an denen er Glück hatte, wehte vom Meer eine leichte Brise und verschaffte ihm ein bisschen Erleichterung. Aber inzwischen hatte er sich an die sengende Hitze, die schwüle Luft und die Erschöpfung gewöhnt, die meistens hier herrschte. Und es machte ihm trotz der Schmerzen nichts mehr aus, seine letzten Kraftreserven zu mobilisieren.
Seine Laufschuhe hinterließen tiefe Spuren im feuchten Sand. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht, und das T-Shirt klebte an seiner Haut. Sein Puls war erhöht, aber gleichmäßig.
Dass er Urlaub hatte, war noch lange kein Grund, seine Kondition zu vernachlässigen. Zumal seine Mutter ihn mit selbst gekochten italienischen Mahlzeiten verwöhnte, die für einen kompletten Zug US-Marines ausgereicht hätten.
Er konnte nur hoffen, dass er nicht zwanzig Pfund schwerer zu seiner Einheit zurückkehrte. Und mit einem peinlichen Rettungsring um die Hüften, den er frühestens in einem Monat wieder loswerden würde.
Als endlich der Turm der Rettungsschwimmer, der Wendepunkt seiner Strecke, in Sicht kam, lief er noch schneller.
Um diese Tageszeit war der Strand bereits gut besucht. Fast alle Schirme
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