Julia Sommerliebe 0023
die Sonne kam.
Ihre Freundin hatte solche Probleme nicht. Rachel Stanford war eine hochgewachsene, langbeinige Brünette, die in der Sonne makellos braun wurde und in jedem noch so knappen Bikini spektakulär aussah. Egal, was sie trug, sie sah immer so atemberaubend aus, dass Abigail sich neben ihr wie eine hässliche und unbeachtete Stiefschwester vorkam.
Mit Rachel befreundet zu sein, ohne permanent an Selbstmord zu denken, gelang ihr nur selten und hauptsächlich deshalb, weil Rachel sich absolut nichts auf ihr Aussehen einbildete. Sicher, sie wusste, dass sie attraktiv war, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie hinreißend schön sie war.
Jedenfalls nahm Abigail das an.
Leider ließ sich das nicht von dem Dutzend Männer behaupten, denen fast die Augen aus dem Kopf fielen, wenn sie herüberschauten. Kein Einziger von ihnen achtete auf Abigail.
„Wozu gibt es große Hüte und Lichtschutzfaktor 30?“, entgegnete Rachel und rührte mit dem Strohhalm in ihrer Limonenmargarita. „Komm schon, Abby. Denk bitte mal darüber nach: Du hast bald Urlaub und brauchst dringend eine Auszeit. Wir beide brauchen diese Auszeit. Du musst mal weg aus diesem Provinzkaff mitten in der Einöde von Ohio, wo nichts passiert. Erinner dich einmal daran, wie es ist, ein sorgloser Single zu sein und sich zu amüsieren!“
Rachel hütete sich, einen Namen zu nennen, aber Abigail wusste auch so, worauf ihre Freundin anspielte.
Erst vor kurzer Zeit hatte ihr Freund Kirk sie sitzen lassen. Nach drei Jahren Beziehung. Und dabei hatte Abigail schon die Hochzeitsglocken läuten hören.
Es war ohne Untertreibung der Schock ihres Lebens gewesen. Einfach unglaublich.
Insgeheim hatte sie die Hochzeit bereits geplant, aber dann war sie eines Tages nach Hause gekommen und hatte ihn dabei erwischt, wie er seine Taschen packte. Sie stand sprachlos und gleichzeitig gelähmt vor ihm. Und was hatte er getan? Scheinbar vollkommen gefasst verkündet, dass er sich eingeengt fühlte und sie doch nicht die richtige Frau für ihn war.
Abigail vermutete, dass an dieser plötzlichen Einsicht die Wasserstoffblondine mit dem großen Busen und kurzen Röcken nicht ganz unschuldig war, die sie keine Woche später mit Kirk gesehen hatte …
„Ich kann den Strand nicht leiden, Rachel“, sagte sie leise. „Die Menschenmassen, die Sonne, all die Leute, die in Badesachen besser aussehen als ich …“
„Woher willst du das wissen?“, fragte Rachel. „Du warst doch noch nie am Strand. Also nicht wirklich, das musst du zugeben. Wir reden von Fort Lauderdale in Florida. Und du musst dringend raus aus deinem Schneckenhaus. Du bist jung und schön und musst dich mal sehen lassen!“
Abigail verdrehte die Augen.
„Hör auf damit!“, fuhr Rachel sie an. „Das ist die reine Wahrheit, und nur weil Kirk zu blind und zu dämlich war, um es zu sehen, gilt das noch lange nicht für alle Männer. Aber bei diesem Urlaub, den ich im Kopf habe, geht es nicht darum, dir einen Mann zu suchen. Es geht dabei nur um uns beide. Es wird ein reiner Mädchenurlaub. Wir nehmen uns ein Zimmer mit Meerblick, kaufen uns sexy Strandoutfits, liegen den ganzen Tag im Sand, verschlingen heiße Liebesromane und lassen uns leckere Cocktails schmecken.“
Sie beugte sich vor. Ihre blauen Augen blitzten. „Nun komm schon, Abby. Bitte! Es wird so toll, dass du nie wieder in dein Kellerlabor zu all den Reagenzgläsern und Mikroskopen zurückkehren willst.“
Abigail atmete tief durch und hielt dem herausfordernden Blick ihrer Freundin stand. Allein bei der Vorstellung, ihre sichere, bequeme Wohnung und ihren sicheren, bequemen Alltag zu verlassen, wurde ihr bereits mehr als mulmig.
Aber die rebellische Stimme in ihrem Hinterkopf riet ihr, genau das zu tun. Das Leben ist zu kurz, um Trübsal zu blasen, flüsterte sie, und seit Kirk weg ist, verkriechst du dich nur noch.
Sie war auch vorher nicht gerade ein verrücktes Partygirl gewesen. Aber ihr graute davor, eines Tages zurückzublicken und sich eingestehen zu müssen, dass ein Idiot wie Kirk sie in eine einsame, verbitterte Frau verwandelt hatte. Das war er wirklich nicht wert.
„Okay“, gab sie schließlich nach. „Ich komme mit.“
„Hurra!“ Rachel warf die Hände in die Luft, lehnte sich jubelnd zurück und zog damit noch mehr interessierte Männerblicke auf sich.
Dann beugte sie sich wieder vor und griff nach Abigails Händen. „Du wirst es nicht bereuen, Abby, das verspreche ich dir hoch und heilig. Das wird
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