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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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bist du ein Salimbeni, und ich eine Tolomei. Es ist unser Schicksal, Feinde zu sein.«
    Sein Lächeln kehrte zurück. »Oder Liebende.«
    Ich musste lachen, wenn auch hauptsächlich vor Verblüffung. »O nein! Du bist ein Salimbeni, und wie sich herausstellt, war Salimbeni Shakespeares Paris, also der reiche Kerl, der Julia heiraten wollte, nachdem sie heimlich Romeo geheiratet hatte!«
    Alessandro trug es mit Fassung. »Ach ja, jetzt weiß ich es wieder: der reiche, schöne Paris. Das bin ich?«
    »Sieht ganz danach aus.« Ich brachte ein theatralisches Seufzen zustande. »Und ehe wir es vergessen: Meine Vorfahrin, Giulietta Tolomei, war verliebt in Romeo Marescotti, wurde jedoch gezwungen, sich mit dem teuflischen Salimbeni zu verloben - deinem Vorfahren! Sie war gefangen in einem Liebesdreieck, genau wie Shakespeares Julia.«
    »Bin ich auch teuflisch?« Alessandro gefiel die Geschichte offenbar immer besser. »Reich, schön und teuflisch. Keine schlechte Rolle.« Er überlegte einen Moment, ehe er in ruhigerem Ton hinzufügte: »Ganz unter uns gesagt fand ich Paris schon immer viel besser als Romeo. Meiner Meinung nach war Julia eine dumme Gans.«
    Ich blieb mitten auf der Straße stehen. »Wie bitte?«
    Alessandro blieb ebenfalls stehen. »Überleg doch mal. Wenn Julia zuerst Paris kennengelernt hätte, wäre sie nicht Romeo verfallen, sondern ihm, und die beiden wären bis an ihr Lebensende miteinander glücklich gewesen. Für sie war es einfach an der Zeit, sich zu verlieben.«
    »Aber doch nicht so!«, konterte ich. »Romeo war süß ...«
    »Süß?« Alessandro verdrehte die Augen. »Welcher Mann ist denn süß?«
    »... und ein hervorragender Tänzer ...«
    »Romeo hatte zwei linke Füße! Das hat er selber gesagt!«
    »... aber noch wichtiger«, schloss ich, »er hatte schöne Hände!«
    Endlich gab Alessandro sich geschlagen. »Verstehe. Er hatte schöne Hände. Da fällt mir nichts mehr dazu ein. Dann ist es also das, was einen großen Liebhaber ausmacht?«
    »Laut Shakespeare schon.« Ich versuchte, einen Blick auf seine Hände zu erhaschen, doch er machte mir einen Strich durch die Rechnung, indem er sie rasch in seinen Taschen versenkte.
    »Hast du wirklich vor«, fragte er mich, während er weiterging, »dein Leben gemäß Shakespeare zu leben?«
    Ich warf einen Blick auf den Dolch. Es war mir ein wenig peinlich, dass ich ihn einfach so mit mir herumtrug, aber er passte nicht in meine Handtasche, und ich wollte Alessandro nicht noch einmal bitten, ihn für mich zu tragen. »Nicht notwendigerweise.«
    Sein Blick wanderte ebenfalls hinunter zu dem Dolch. Mir war klar, dass wir beide dasselbe dachten. Wenn Shakespeare recht hatte, handelte es sich dabei um die Waffe, mit der Giulietta Tolomei sich umgebracht hatte. »Warum schreibst du das Stück nicht neu?«, schlug er vor. »Und änderst dein Schicksal?«
    Ich starrte ihn an. »Du meinst, ich soll Romeo und Julia umschreiben?«
    Er sah mich nicht an, sondern hielt den Blick geradeaus gerichtet. »Und mit mir Freundschaft schließen.«
    Ich studierte in der Dunkelheit sein Profil. Obwohl wir den ganzen Abend geredet hatten, wusste ich noch kaum etwas über ihn. »Nur unter der einen Bedingung«, antwortete ich, »dass du mir mehr über Romeo erzählst.« Seine enttäuschte Miene ließ mich meine Worte sofort bereuen, kaum dass ich sie ausgesprochen hatte.
    »Romeo, Romeo«, höhnte er, »immer nur Romeo! Bist du deswegen nach Siena gekommen? Um den süßen Typen mit den Tänzerbeinen und den schönen Händen zu finden? Dann wirst du, fürchte ich, ziemlich enttäuscht sein. Er hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem Romeo, den du zu kennen glaubst. Er wird im Bett keine Reime von sich geben. Glaub mir, er ist ein richtiger Mistkerl. Wenn ich du wäre ...« - endlich sah er mich an -, »dann würde ich meinen Balkon dieses Mal lieber mit Paris teilen.«
    »Ich habe nicht die Absicht«, gab ich beleidigt zurück, »meinen Balkon mit irgendjemandem zu teilen. Ich will nur den Cencio zurück, und so, wie ich das sehe, ist Romeo der Einzige, der ein Motiv hatte, ihn zu klauen. Wenn du ihn nicht für den Dieb hältst, dann sag mir das jetzt, und ich werde ihn mit keinem Wort mehr erwähnen.«
    »Na schön«, erwiderte Alessandro, »ich halte ihn nicht für den Dieb. Aber das heißt nicht, dass er unschuldig ist. Du hast deinen Cousin ja gehört: Romeo hat teuflische Hände. Deswegen wäre es allen am liebsten, er wäre tot.«
    »Was macht dich so sicher,

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