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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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er fortfuhr: »Zwei Wochen später haben meine Großeltern in der Zeitung gelesen, dass Diane Tolomei bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, zusammen mit ihren kleinen Töchtern. Sie waren völlig am Boden zerstört.« Er blickte auf und sah mir endlich in die Augen. »Deswegen habe ich anfangs nicht geglaubt, dass du Giulietta Tolomei bist.«
    Einen Moment lang saßen wir einfach nur da und starrten uns an. Es war für uns beide eine traurige Geschichte, aber gleichzeitig hatte die Vorstellung, dass wir uns als Kinder schon einmal begegnet waren, etwas Bittersüßes.
    »Es stimmt«, sagte ich leise, »dass meine Mutter bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, aber wir waren an dem Tag nicht bei ihr. Da ist den Leuten von der Zeitung wohl ein Fehler unterlaufen. Aber was die Heugabel betrifft«, fuhr ich fort, »bin ich wirklich froh, dass ich endlich weiß, wie das passiert ist. Hast du eine Ahnung, wie beunruhigend es ist, eine Narbe zu haben und nicht zu wissen, woher?«
    Alessandro starrte mich ungläubig an. »Du hast immer noch eine Narbe?«
    »Und ob!« Ich zog meinen Rock hoch und ließ ihn einen Blick auf die weiße Narbe an meinem Oberschenkel werfen. »Scheußlich, was? Wenigstens weiß ich jetzt, wer daran schuld ist.«
    Als ich den Kopf hob, um zu sehen, ob er sich angemessen schämte, stellte ich fest, dass er mit einem Ausdruck echten Entsetzens auf meinen Oberschenkel hinunterstarrte. Das sah ihm so wenig ähnlich, dass ich in Lachen ausbrach. »Entschuldige!« Ich zog meinen Rock wieder über die Narbe. »Du hast so anschaulich erzählt, dass es mit mir durchgegangen ist.«
    Alessandro räusperte sich und griff nach der Proseccoflasche. »Lass mich wissen, wenn du noch mal eine möchtest.«
     
    Als wir unser Hauptgericht etwa zur Hälfte verspeist hatten, bekam er einen Anruf von der Polizei. Ich merkte an seinem Gesichtsausdruck, dass es sich um eine gute Nachricht handelte.
    »Tja«, sagte er, nachdem er das Gespräch beendet hatte, »wie es aussieht, brauchst du dir heute Abend kein neues Hotel zu suchen. Sie haben Bruno mit einem Koffer voller Diebesgut aus dem Museum deines Cousins bei seiner Schwester erwischt. Als seine Schwester mitbekam, dass er wieder in sein altes Geschäft eingestiegen war, verpasste sie ihm eine solche Tracht Prügel, dass er die Beamten anflehte, ihn auf der Stelle festzunehmen.« Grinsend schüttelte er den Kopf, doch als er meine hochgezogenen Augenbrauen bemerkte, wurde er schnell wieder ernst. »Bedauerlicherweise haben sie den Cencio nicht bei ihm gefunden. Er muss ihn irgendwo anders versteckt haben. Keine Sorge, er taucht bestimmt wieder auf. Bruno findet unmöglich einen Käufer für diesen alten Lumpen ...« Als er bemerkte, wie sehr mir seine Wortwahl missfiel, zuckte er mit den Achseln. »Ich bin nun mal nicht hier aufgewachsen.«
    »Ein privater Sammler«, entgegnete ich in scharfem Ton, »würde eine Menge Geld für den alten Lumpen bezahlen. Für die Leute hier in der Gegend haben diese Dinge einen hohen emotionalen Wert ... was dir aber mit Sicherheit bekannt sein dürfte. Wer weiß, vielleicht stecken hinter alledem ja wirklich Romeos Leute, die Marescottis. Vergiss nicht, mein Cousin Peppo hat gesagt, dass Romeos Nachfahren den Cencio und den Dolch für ihr Eigentum halten.«
    »Falls du recht hast«, erklärte Alessandro, »dann wissen wir das spätestens morgen, nachdem die Jungs ihr kleines Gespräch mit Bruno geführt haben. Er ist kein großer Schweiger.«
    »Wie denkst du darüber? Glaubst du das? ... Dass die Marescottis ihn beauftragt haben, den Cencio zu stehlen?«
    Alessandro war anzusehen, dass er über dieses Thema höchst ungern sprach. »Falls sie tatsächlich die Drahtzieher wären«, antwortete er schließlich, »dann hätten sie nicht Bruno angeheuert. Die haben ihre eigenen Leute. Außerdem hätten sie den Dolch bestimmt nicht auf dem Tisch zurückgelassen.«
    »Klingt, als würdest du sie kennen.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Siena ist ein Dorf.«
    »Ich dachte, du bist nicht hier aufgewachsen.«
    »Stimmt.« Und sichtlich genervt über meine Hartnäckigkeit klopfte er ein paarmal nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. »Aber die Sommerferien habe ich immer hier bei meinen Großeltern verbracht. Das habe ich dir doch erzählt. Meine Cousins und ich waren jeden Tag im Weinberg der Marescottis unterwegs. Wir hatten immer große Angst, erwischt zu werden. Das war Teil des Spiels, sonst hätte es uns nicht so großen

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