Julia
Großmutter es sofort als Fälschung entlarvte.
Die Reinheit einer Braut war eine Angelegenheit von großer Ehre - und machte folglich große Täuschungsmanöver erforderlich -, so dass in der ganzen Stadt Großmutter gegen Großmutter ins Rennen geschickt wurde, damit sie die überzeugendsten Mischungen entwickelten und enttarnten, die man in Ermangelung des echten Gemisches rasch auf ein Hochzeitslaken tupfen konnte. Blut allein reichte nicht aus, es musste mit anderen Substanzen vermengt werden, und jede Großmutter jeder Familie hatte ihr eigenes Geheimrezept sowie ihre eigenen Methoden, Echtes von Unechtem zu unterscheiden. Wie die Alchemisten früherer Zeiten bedienten sich auch diese Frauen nicht normaler irdischer, sondern magischer Begriffe. Für sie bestand die ewige Herausforderung darin, die perfekte Kombination aus Lust und Schmerz zu fälschen, aus Männlichem und Weiblichem.
Eine solche Frau, die mit allen Wassern gewaschen und fast schon so etwas wie eine Hexe war, ließ sich durch Salimbenis Laken nicht narren, sondern erkannte es auf den ersten Blick als das Werk eines Mannes, der sich nie die Mühe gemacht hatte, seine Braut oder sein Bett nach dem ersten Scharmützel ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen. Trotzdem besaß niemand den Mut, dieses Thema vor dem Herren selbst zur Sprache zu bringen, denn zu diesem Zeitpunkt war bereits weithin bekannt, dass das Problem nicht bei seiner Dame lag, sondern bei ihm.
Das Porträt von Giulietta Tolomei fertigzustellen reichte nicht aus. Angetrieben von rastloser Energie, begab sich Maestro Ambrogio eine Woche nach der Hochzeit in den Palazzo Salimbeni, um dessen Bewohner darüber zu informieren, dass ihre Fresken der Inspektion und unter Umständen auch der Ausbesserung bedurften. Niemand wagte dem berühmten Maestro zu widersprechen oder hielt es für nötig, Salimbeni in dieser Angelegenheit zu Rate zu ziehen, so dass es Maestro Ambrogio von diesem Zeitpunkt an viele Tage lang freistand, zu kommen und zu gehen, wann immer es ihm beliebte.
Sein Beweggrund war zweifellos, einen Blick auf Giulietta zu erhaschen und ihr nach Möglichkeit seine Hilfe anzubieten. Obwohl ihm selbst nicht so recht klar war, wie diese Hilfe eigentlich aussehen sollte, spürte er, dass er erst wieder Ruhe finden würde, wenn sie wusste, dass sie noch Freunde auf dieser Welt hatte. Doch egal, wie lange er unter dem Vorwand, Mängel an seiner eigenen Arbeit zu entdecken, auf den Leitern herumkletterte, die junge Frau kam nie nach unten. Auch erwähnte nie jemand ihren Namen. Es war fast, als gäbe es sie gar nicht mehr.
Eines Abends aber, als Maestro Ambrogio sich gerade ganz oben auf einer hohen Leiter zur Decke hinaufstreckte, um dort zum dritten Mal dasselbe Wappen zu inspizieren, und sich allmählich fragte, ob es nicht an der Zeit war, seine Strategie zu überdenken, wurde er zufällig Zeuge einer Unterhaltung zwischen Salimbeni und seinem Sohn Nino, die im Nachbarzimmer stattfand. In der Annahme, dort allein zu sein, hatten sich die beiden Männer in diesen abgelegenen Teil des Hauses zurückgezogen, um über ein Thema sprechen, das offenbar einer gewissen Diskretion bedurfte. Wie hätten sie auch ahnen sollen, dass Maestro Ambrogio, der sich auf seiner Leiter ganz still verhielt, durch einen Spalt zwischen einer Seitentür und deren Rahmen jedes Wort hören konnte?
»Ich möchte«, wandte sich Salimbeni an seinen Sohn, »dass du Monna Giulietta nach Rocca di Tentennano begleitest und dort richtig ... unterbringst.«
»So bald schon?«, rief der junge Mann überrascht aus. »Meinst du nicht, dass das Anlass zu Gerede geben wird?«
»Die Leute reden bereits«, bemerkte Salimbeni, der es offensichtlich gewohnt war, derart offene Gespräche mit seinem Sohn zu führen, »aber ich möchte nicht, dass die Gemüter gänzlich überkochen. Du weißt schon, wegen Tebaldo ... Romeo ...
all dem. Er wäre gut, wenn du die Stadt verlassen würdest, bis ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist. In letzter Zeit ist einfach zu viel passiert. Der Pöbel regt sich. Das bereitet mir Sorgen.«
Nino stieß ein Geräusch aus, das fast nach einem Lachen klang. »Vielleicht solltest lieber du gehen. Ein bisschen frische Landluft ...«
»Still!« Salimbenis kameradschaftlicher Umgang mit seinem Sohn hatte seine Grenzen. »Du gehst und nimmst sie mit. Das ungezogene Frauenzimmer muss fort! Sie hier im Haus zu haben, verursacht mir Übelkeit. Und wenn ihr erst einmal dort seid,
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