Julia
konnte.
Während Salimbeni damit beschäftigt war, sich von allen zu verabschieden und ihre guten Wünsche entgegenzunehmen, ergriff Giulietta die Gelegenheit, sich von der Banketttafel ein Messer zu nehmen und es unter ihrer Kleidung zu verstecken. Sie hatte diese bestimmte Waffe schon zu Beginn des Abends ins Auge gefasst und immer wieder beobachtet, wie sich das Kerzenlicht darin spiegelte, wenn die Bediensteten es zum Aufschneiden des Fleisches für die Gäste verwendeten. Noch ehe sie es in der Hand hielt, hatte sie sich vorgestellt, wie sie damit ihren verhassten Gemahl aufschlitzen würde. Aus Giannozzas Briefen wusste sie, dass sie irgendwann im Verlauf dieser Nacht, die ja ihre Hochzeitsnacht war, mit Salimbenis Besuch rechnen musste. Er würde unbekleidet sein und ganz andere Dinge im Kopf haben, als sich gegen einen Angriff zur Wehr zu setzen. Genau in dem Moment musste sie zuschlagen.
Sie konnte es kaum erwarten, ihm solch tödlichen Schaden zuzufügen, dass das Bett mit seinem statt mit ihrem Blut getränkt sein würde. Am meisten aber lechzte sie danach, seine Reaktion auf seine eigene Verstümmelung zu genießen, ehe sie die Klinge direkt in sein dämonisches Herz stieß.
Danach waren ihre Pläne weniger genau durchdacht. Da sie seit dem Abend nach dem Palio nicht mehr mit Bruder Lorenzo in Kontakt stand - und in seiner Abwesenheit auch kein anderes mitfühlendes Ohr hatte finden können -, nahm sie an, dass Romeos Leiche aller Wahrscheinlichkeit nach immer noch unbestattet in der Grabkammer der Tolomeis lag. Zwar war durchaus vorstellbar, dass Monna Antonia Tebaldos Grab am nächsten Tag noch einmal besucht hatte, um für ihn zu beten und eine Kerze anzuzünden. Doch wäre ihre Tante dort tatsächlich über Romeos Leiche gestolpert, dann hätte sie, Giulietta - und mit ihr ganz Siena -, bestimmt davon gehört oder gar mit ansehen müssen, wie die trauernde Mutter die Leiche des angeblichen Mörders ihres Sohnes hinter ihrer Kutsche durch die Straßen schleifte.
Als Salimbeni zu Giulietta in das mit Kerzen beleuchtete Brautgemach trat, hatte sie kaum ihre Gebete zu Ende gesprochen und noch keine Zeit gehabt, ein Versteck für das Messer zu suchen. Erschrocken drehte sie sich nach dem Eindringling um. Dass er kaum mehr als eine Tunika trug, schockierte sie am meisten. Hätte er eine Waffe in Händen gehabt, wäre das für sie weniger beängstigend gewesen als der Anblick seiner nackten Arme und Beine.
»Ich glaube, es ist üblich«, erklärte sie mit zitternder Stimme, »dass man seiner Frau ein wenig Zeit lässt, sich vorzubereiten ...«
»Oh, ich glaube, du bist durchaus bereit!« Salimbeni schloss die Tür, marschierte schnurstracks auf sie zu und legte ihr lächelnd eine Hand unters Kinn. »Egal, wie lange du mich warten lässt, ich werde niemals der Mann sein, den du dir wünschst.«
Giulietta musste schlucken, so zuwider waren ihr seine Berührung und sein Geruch. »Aber Ihr seid nun mein Gatte ...«, begann sie lammfromm.
»Tatsächlich?« Amüsiert legte er den Kopf schief. »Warum begrüßt du mich dann nicht herzlicher, meine Liebe? Warum der kalte Blick?«
»Ich ...« - sie brachte die Worte kaum heraus - »ich bin Eure Anwesenheit noch nicht gewöhnt.«
»Du enttäuschst mich«, meinte er mit einem rätselhaften Lächeln. »Nach allem, was die Leute erzählen, dachte ich, du hättest mehr Feuer.« Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Allmählich befürchte ich, du wirst mich irgendwann sogar mögen.« Aus seiner Miene sprach geheuchelte Verzweiflung.
Da sie nicht reagierte, ließ er seine Hand an ihrem Hals nach unten gleiten, um den Ausschnitt ihres Hochzeitskleides zu erkunden und sich Zugang zu ihrem Busen zu verschaffen. Als Giulietta seine gierigen Finger spürte, rang sie nach Luft und vergaß für einen Moment ihren schlauen Plan, ihm das Gefühl zu geben, er habe sie erobert.
»Wie könnt Ihr es wagen, mich anzufassen, Ihr stinkender Ziegenbock!«, zischte sie und versuchte gleichzeitig, seine Hände von ihrem Körper zu reißen. »Gott wird nicht zulassen, dass Ihr mich anrührt!«
Salimbeni lachte, entzückt über ihre plötzliche Gegenwehr, und schlug ihr eine Klaue ins Haar, um sie festzuhalten, während er sie küsste. Erst als es sie vor Abscheu würgte, ließ er von ihrem Mund ab und flüsterte so nahe an ihrem Gesicht, dass sie seinen warmen, sauren Atem spürte: »Ich verrate dir ein Geheimnis. Der gute alte Gott sieht gerne zu.« Mit diesen Worten hob er sie
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