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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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möchte ich, dass du bleibst ...«
    »Ich soll dort bleiben?« Nino konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen als einen Aufenthalt auf dem Land. »Wie lange denn?«
    »Bis sie schwanger ist.«
    Verständlicherweise herrschte für einen Moment Totenstille. Maestro Ambrogio musste sich mit beiden Händen an die Leiter klammern, um vor lauter Schreck über diese schockierende Forderung nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »O nein ...« Nino wich vor seinem Vater zurück. Offenbar fand er dessen Anliegen höchst lächerlich. »Nicht ich. Das soll ein anderer machen. Egal, wer.«
    Salimbeni, dem die Zornesröte ins Gesicht stieg, trat auf seinen Sohn zu und packte ihn am Kragen. »Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, worum es geht. Unsere Ehre steht auf dem Spiel. Ich würde die Kleine liebend gerne beseitigen, aber sie ist eine Tolomei. Also werde ich das Zweitbeste tun und sie aufs Land verfrachten, wo niemand sie sieht. Dort kann sie sich dann mit ihrer Kinderschar beschäftigen, und ich habe sie aus dem Weg.« Er ließ seinen Sohn wieder los. »Die Leute werden sagen, dass ich noch gnädig mit ihr umgesprungen bin.«
    »Kinderschar?« Nino gefiel der Plan immer weniger. »Wie viele Jahre soll ich denn mit meiner Mutter schlafen?«
    »Sie ist sechzehn«, gab Salimbeni zurück, »und du tust, was ich dir sage! Noch ehe der Winter vorüber ist, soll jeder in Siena wissen, dass sie ein Kind von mir bekommt. Vorzugsweise einen Jungen.«
    »Ich werde versuchen, den Anforderungen gerecht zu werden«, antwortete Nino sarkastisch.
    Als Salimbeni den frechen Ton seines Sohnes hörte, hob er warnend einen Finger. »Gnade dir Gott, wenn du sie auch nur eine Sekunde aus den Augen lässt. Keiner außer dir darf sie anrühren. Ich möchte den Leuten keinen Bastard präsentieren müssen.«
    Nino seufzte. »Ganz, wie Ihr wollt. Ich werde Paris spielen und Eure Frau übernehmen, alter Herr. Ach nein, genau genommen ist sie ja gar nicht Eure Frau, oder?«
    Die Ohrfeige kam für Nino nicht überraschend, er hatte sie geradezu herausgefordert. »Schon gut«, sagte er, während er erneut vor seinem Vater zurückwich, »schlagt mich ruhig jedes Mal, wenn ich die Wahrheit sage, und entlohnt mich, wann immer ich unrecht tue. Sagt mir, wem oder was ich den Garaus machen soll - einem Rivalen, einem Freund, oder einer Jungfernschaft -, und ich tue es. Verlangt nur nicht von mir, dass ich Euch hinterher noch achte.«
     
    Während Maestro Ambrogio an diesem Abend zu seiner Werkstatt zurückmarschierte, ging ihm das Gespräch, das er belauscht hatte, ständig im Kopf herum. Wie konnte solche Perversion auf der Welt ihr Unwesen treiben, geschweige denn in seiner eigenen Stadt? Und warum unternahm kein Mensch den Versuch, dem ein Ende zu setzen? Plötzlich fühlte er sich alt und unnütz. Fast wünschte er, er wäre gar nicht erst in den Palazzo Salimbeni gegangen, denn dann hätte er wenigstens nichts von diesen teuflischen Plänen gewusst.
    Als er schließlich sein Atelier erreichte, fand er die blaue Tür unverschlossen vor. Einen Moment lang fragte er sich, ob er vielleicht vergessen hatte, sie abzusperren, doch da er Dante nicht bellen hörte, befürchtete er einen Einbruch. »Hallo?«
    Voller Angst schob er die Tür auf und trat ein. Die brennenden Lampen irritierten ihn. »Wer ist da?«
    Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, zerrte ihn auch schon jemand von der Tür weg und zog sie fest hinter ihm zu. Als er sich jedoch nach seinem Gegner umdrehte, stellte er fest, dass es kein böswilliger Fremder, sondern Romeo Marescotti war. Neben ihm stand Bruder Lorenzo, der Dante auf dem Arm hatte und dem Hund das Maul zuhielt.
    »Dem Himmel sei Dank!«, rief Maestro Ambrogio. Bei näherem Hinsehen stellte er fest, dass die jungen Männer inzwischen beide einen Vollbart trugen. »Endlich zurück aus fernen Landen?«
    »So fern nun auch wieder nicht«, antwortete Romeo, während er leicht hinkend zum Tisch hinüberging, um sich zu setzen. »Wir haben uns nicht weit von hier in einem Kloster versteckt.«
    »Ihr beide?«, fragte der Maler verblüfft.
    »Lorenzo«, antwortete Romeo und verzog das Gesicht, als er sein Bein ausstreckte, »hat mir das Leben gerettet. Sie haben mich einfach liegen lassen, weil sie mich für tot hielten - die Salimbenis, auf dem Friedhof -, aber er hat mich gefunden und ins Leben zurückgeholt. Die letzten Monate ... ohne ihn hätte ich es nicht geschafft.«
    »Gott«, erklärte Bruder Lorenzo, während er endlich den Hund

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