Julia
hoch, um sie einen Moment später aufs Bett fallen zu lassen. »Warum sonst sollte er einen so schönen Körper wie den deinen schaffen, wenn nicht zu meinem Vergnügen?«
Sobald er Anstalten machte, den Gürtel seiner Tunika zu lösen, versuchte Giulietta auf allen vieren die Flucht zu ergreifen. Als er sie daraufhin an den Knöcheln zurückzog, kam unter ihren Röcken bedauerlicherweise das Messer zum Vorschein, das sie mit einem Band an ihrem Oberschenkel befestigt hatte. Allein schon sein Anblick reichte aus, um dem Mann, der eigentlich das Opfer dieses Messers werden sollte, einen Lachanfall zu bescheren.
»Eine verborgene Waffe!«, rief er, ehe er es unter dem Band hervorzog und seine makellose Klinge bewunderte. »Du verstehst es schon jetzt, mir Freude zu bereiten!«
»Ihr widerwärtiges Schwein!« Giulietta versuchte es ihm wieder abzunehmen und schnitt sich dabei fast selbst in die Hand. »Es gehört mir!«
»Tatsächlich?« Ihr wutverzerrtes Gesicht erheiterte ihn nur noch mehr. »Dann hol es dir!« Einen schnellen Wurf später steckte das Messer zitternd in einem Holzbalken, weit außerhalb ihrer Reichweite. Als Giulietta vor Enttäuschung nach ihm trat, warf er sie einfach wieder auf den Rücken und drückte sie mit seinem Gewicht in den Cencio hinein. Sie versuchte zwar, ihn zu kratzen und ihm ins Gesicht zu spucken, doch es war ihm ein Leichtes, ihr auszuweichen. »Nun denn«, fragte er sie mit geheuchelter Zärtlichkeit, »welch andere Überraschungen hältst du denn heute Nacht für mich bereit, meine Liebste?«
»Einen Fluch!«, stieß sie höhnisch aus, während sie sich verzweifelt abmühte, ihre Arme freizubekommen. »Einen Fluch auf alles, was Euch lieb und teuer ist! Ihr habt meine Eltern getötet, und Romeo! Ihr werdet in der Hölle schmoren, und ich werde auf Euer Grab spucken!«
Ohne ihre Waffe völlig hilflos, blickte Giulietta in das triumphierende Gesicht des Mannes, der zu diesem Zeitpunkt längst verstümmelt, wenn nicht gar tot in einer Lache seines Blutes liegen sollte. Eigentlich hätte Giulietta in dieser aussichtslosen Situation verzweifeln müssen, und für ein paar schreckliche Augenblicke tat sie das auch.
Dann aber geschah etwas Eigenartiges. Zunächst war es kaum mehr als eine plötzliche Wärme, die sich von dem Bett, auf dem sie lag, durch ihren ganzen Körper ausbreitete. Es war eine seltsame, prickelnde Hitze, als läge sie über einem schwachen Feuer auf einem Rost. Als sich das Gefühl verstärkte, brach sie in lautes Lachen aus, denn sie begriff plötzlich, dass sie einen Moment religiöser Ekstase erlebte und die Jungfrau Maria durch den Cencio, auf dem sie lag, ein göttliches Wunder wirkte.
Für Salimbeni war Giuliettas irres Lachen weitaus beunruhigender als jede Beleidigung oder Waffe, die sie ihm hätte entgegenschleudern können. Er schlug ihr ins Gesicht: einmal, zweimal, schließlich sogar ein drittes Mal, erreichte damit aber nur, dass sich ihre verrückte Heiterkeit noch verstärkte. In seinem verzweifelten Bemühen, sie zum Schweigen zu bringen, begann er an der Seide zu zerren, die ihre Brüste bedeckte, war vor lauter Aufregung aber nicht in der Lage, die Rätsel ihrer Kleidung zu lösen. Während er die Tolomei-Schneider wegen der Qualität ihrer Arbeit und der Stärke ihres Fadens verfluchte, wandte er sich ihren Röcken zu und wühlte sich auf der Suche nach einem weniger gut geschützten Zugang durch die vielen Stofflagen.
Giulietta wehrte sich nicht einmal, sondern lag nur lachend da, während Salimbeni sich lächerlich machte. Sie wusste nämlich mit einer Gewissheit, die nur vom Himmel selbst stammen konnte, dass er ihr in dieser Nacht nichts anhaben konnte. Wie entschlossen er auch sein mochte, sie auf ihren Platz zu verweisen, die Jungfrau Maria stand ihr mit gezücktem Schwert zur Seite, um sein Eindringen zu verhindern und den heiligen Cencio vor einem Akt barbarischer Entweihung zu bewahren.
Immer noch lachend, warf sie ihrem Angreifer einen triumphierenden Blick zu. »Habt Ihr mich nicht gehört?«, fragte sie einfach. »Ihr seid verflucht. Spürt Ihr es nicht?«
Die Leute von Siena wussten sehr wohl, dass Klatsch entweder eine Plage oder ein Racheengel sein kann, je nachdem, ob es sich bei dem Opfer um einen selbst handelt oder nicht. Klatsch ist raffiniert, hartnäckig und tödlich. Ist man erst einmal gebrandmarkt, macht er vor nichts halt, um einen zu Fall zu bringen. Wenn es ihm in seiner ursprünglichen Form nicht gelingt,
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