Julia
man damals wie jetzt verstand, nämlich der des Geldes. Salimbeni schenkte Giulietta eine Brautkrone mit vier überdimensionalen Edelsteinen - zwei Saphiren und zwei Smaragden -, bei denen es sich vermutlich um die Steine handelte, die später die Statue an ihrem Grab zierten. Allerdings waren wir eingeschlafen, ehe wir diese Stelle erreichten.
Nach einer sehr dürftigen Dosis Schlaf weckte mich das Telefon.
»Miss Tolomei«, zwitscherte Direttor Rossini, der sich in seiner Rolle als Frühaufsteher gefiel, »sind Sie schon wach?«
»Jetzt schon.« Ich verzog das Gesicht und warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Gerade mal neun. »Was ist los?«
»Capitano Santini ist hier. Was soll ich ihm sagen?«
»Ähm ...« Ich betrachtete das Chaos um mich herum. Neben mir schnarchte Janice fröhlich vor sich hin. »Ich bin in fünf Minuten unten.«
Nach einer Blitzdusche lief ich mit noch tropfnassem Haar die Treppe hinunter, so schnell ich konnte. Alessandro saß vor dem Haus auf einer Bank und spielte gedankenverloren mit einer Magnolienblüte. Sein Anblick erfüllte mich mit einem warmen Gefühl von Vorfreude, doch sobald sich unsere Blicke begegneten, musste ich wieder an die Fotos denken, die ihn beim Einbruch in mein Hotelzimmer zeigten, so dass sich das angenehme Prickeln sofort in stechenden Zweifel verwandelte.
»Das Wichtigste zuerst«, sagte ich, nicht ganz der Wahrheit entsprechend. »Was gibt es Neues von Bruno?«
»Das wollte ich dir gestern schon erzählen«, antwortete er und betrachtete mich dabei nachdenklich, »aber du warst nicht da.«
»Tatsächlich?« Ich bemühte mich nach Kräften, überrascht zu klingen. Vor lauter Aufregung wegen meines Rendezvous mit Motorrad-Romeo auf dem Mangia-Turm hatte ich die Verabredung mit Alessandro völlig vergessen. »Das ist aber seltsam. Tja, wie auch immer ... Was hat Bruno denn gesagt?«
»Nicht viel.« Alessandro warf die Blüte beiseite und stand auf. »Er ist tot.«
Ich schnappte nach Luft. »So plötzlich? Wie ist das passiert?«
Während wir gemeinsam durch die Stadt spazierten, erklärte mir Alessandro, dass man Bruno Carrera - den Mann, der in das Museum meines Cousins Peppo eingebrochen war - am Morgen nach seiner Verhaftung tot in seiner Zelle aufgefunden hatte. Es ließ sich schwer sagen, ob es sich um Selbstmord handelte oder jemand im Gefängnis dafür bezahlt worden war, ihn zum Schweigen zu bringen. Wie Alessandro mir erklärte, erforderte es durchaus eine gewisse Kunstfertigkeit - wenn nicht geradezu Zauberkräfte -, sich an ausgefransten alten Schnürsenkeln zu erhängen, ohne dass diese durch den Fall rissen.
»Demnach wurde er also ermordet!« Trotz seines zweifelhaften Charakters und der Tatsache, dass er mich mit einer Waffe in der Hand verfolgt hatte, tat mir der Kerl irgendwie leid. »Da wollte wohl jemand verhindern, dass er auspackt.«
Alessandros Blick nach zu urteilen hegte er den Verdacht, dass ich mehr wusste, als ich zugab. »Sieht ganz danach aus.«
Fontebranda war ein alter - dank der modernen Wasserleitungen nicht mehr benötigter - öffentlicher Brunnen, der auf einer großen, freien Fläche am unteren Ende eines abschüssigen Straßenlabyrinths lag. Es handelte sich um ein alleinstehendes, an eine Loggia erinnerndes Gebäude aus alten, rötlichen Ziegeln, zu dem eine breite, von Unkraut überwucherte Treppe hinabführte.
Ich ließ mich neben Alessandro auf dem Rand nieder und blickte mich um. Das Wasser in dem großen Steinbecken schimmerte türkisgrün, und über die Wände und das Gewölbe oberhalb des Brunnens tanzte ein Kaleidoskop aus reflektiertem Licht.
»Weißt du«, bemerkte ich, »dein Vorfahr war wirklich ein Scheißkerl!« Es fiel mir schwer, gleichzeitig all diese Schönheit zu würdigen.
Er lachte überrascht, klang dabei aber nicht besonders glücklich. »Ich hoffe, du beurteilst mich nicht nach meinen Vorfahren - und dich selbst nicht nach den deinen.«
Wie wäre es, dachte ich, während ich mich hinunterbeugte, um meine Finger durchs Wasser gleiten zu lassen, wenn ich dich nach einem foto auf dem Handy meiner Schwester beurteilen würde? Stattdessen sagte ich: »Der Dolch ... den kannst du behalten. Ich glaube nicht, dass Romeo ihn jemals zurückwollen würde.« Ich blickte zu ihm hoch. In dem Moment verspürte ich das starke Bedürfnis, jemanden für die Verbrechen von Messer Salimbeni verantwortlich zu machen. »Peppo hatte recht, er ist vom Teufel gezeichnet. Aber das gilt auch für manche
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