Julius Lawhead 2 - Flammenmond
»Sie isolieren uns nach und nach voneinander, merkst du das nicht, Amber?«, flüsterte er.
»Ich gehe trotzdem. Wenn sie uns etwas antun wollen, können wir ohnehin nicht gegen sie bestehen.«
Sie schob die Hand des Indianers von ihrem Arm. »Ann, die Unversehrtheit gilt doch auch für ihn, oder?«
»Sicher, und du bist wirklich gleich zurück, komm.« Amber trat hinter der dunkelhaarigen Vampirin in den Flur. Yiska stand in der Mitte des Raums und sah ihr nach. Dann wurde die Tür geschlossen.
Ann geleitete Amber durch einen weiten, hohen Flur, der mit Säulen und Gemälden der italienischen Spätrenaissance geschmückt war.
»Das ist hier ja wie in einem Museum«, entfuhr es Amber.
»Pass auf, der Flur ist noch gar nichts.«
Amber wusste nicht, was sie von der Bewunderung in Anns Stimme halten sollte. Um nicht daran denken zu müssen, warum sie mit einem fremden Meistervampir sprechen sollte, sie und nicht Julius, fragte sie etwas. »Wie ist es dir hier ergangen, Ann?«
Die Vampirin lächelte breit und zeigte ihre spitzen Zähne. »Gut, sehr gut. Ich kann mich wirklich nicht beklagen.«
Das irritierte Amber, aber es war keine Zeit mehr weiterzufragen. Ann klopfte an einer großen zweiflügeligen Tür, die mit dunklem geometrischen Schnitzwerk verziert war.
»Sie soll eintreten, Ann«, tönte eine tiefe, angenehme Stimme.
Sofort erschien kalter Schweiß auf Ambers Stirn. Ihre Beine schienen keinen einzigen Schritt weiter machen zu wollen. Ann öffnete die Tür, und zu Ambers eigenem Erstaunen trugen sie ihre Füße, gegen den Widerstand in ihrem Kopf, hinein. Amber blieb vor dem Meister stehen und verneigte sich, wie er es sicherlich erwartete.
Kangras Blick war warm. Der Mann wirkte nicht im mindesten wie ein mächtiger Meistervampir, oder vielleicht war es auch das, was er sie glauben machen wollte.
Er hatte sein sterbliches Leben erst mit fast sechzig Jahren beendet, Lachfalten umkränzten seine Augen und auch jetzt umspielte ein Lächeln seinen Mund.
»Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben«, sagte er sanft, und Amber spürte einen warmen Wind auf ihrer Haut, der ihr die Haare zu Berge stehen ließ.
»Keine Magie«, erwiderte sie panisch und setzte schnell noch ein »Bitte« hinterher.
Der Wind verschwand. Kangra lächelte geheimnisvoll und wies mit einer Hand auf zwei Sofas, die vor einem prächtigen Gobelin standen.
Ann hatte recht gehabt, der Flur mit den Statuen war nichts gegen diese Pracht. »Sie haben es sehr schön hier, Mr Kangra«, bewunderte Amber.
»Danke. Aber nehmen Sie doch Platz. Möchten Sie etwas trinken?«
»Nein, danke.« Amber wollte diese Unterhaltung möglichst schnell hinter sich bringen. Eigentlich war sie durstig. Die Angst hatte ihren Mund trocken gemacht. Sie verschränkte die Arme vor ihrem Bauch und beobachtete Kangra, der sich in einer eleganten Bewegung auf dem anderen Sofa niederließ und sich dann vertrauensvoll vorbeugte.
»Claudine ist wie eine Tochter für mich, das sollen Sie wissen«, sagte er und faltete seine schlanken Hände über den Knien. »Sie ist verwundet, aber sie scheint keinen allzu großen Zorn gegen Ihren Herrn zu hegen, deshalb will ich es auch nicht.«
»Das ist gut«, erwiderte Amber und rang sich ein Lächeln ab. »Warum werden wir dann wie Gefangene behandelt?«
»Weil Sie Gefangene sind!« Kangra lachte ein tiefes, kehliges Lachen. »Bis der Rat über das Schicksal von Brandon Flying Crow und Ihrem Meister entscheidet, stehen Sie unter Arrest. Aber Sie haben dennoch Grund zur Freude. Claudine wird Mr Lawhead nicht verklagen. Sie hat den Kampf mit einem ebenbürtigen Jäger genossen. An dem Todesurteil für den Mörder hält sie fest, und ich gebe ihr darin recht.«
»Und warum haben Sie mich hergerufen?«
Kangra schmunzelte. »Man merkt, dass Sie noch nicht lange in unserer Welt leben. Sie reden noch nicht so um den heißen Brei wie die anderen. Ihre Direktheit gefällt mir. Sie sollen Ihre Antwort bekommen und zwar genauso direkt, wie Sie gefragt haben. Ich möchte von Ihnen mehr über meine Friedgeisel Ann Gilfillian erfahren.«
»Ann? Warum fragen Sie sie nicht selbst?«
»Es geht um Dinge, die ich Ann nicht fragen kann oder möchte. Aber Sie, Lawheads Dienerin, können mir Antworten geben.«
»Ich kenne Ann Gilfillian kaum.«
»Wie steht der junge Meister zu ihr?«
»Er hat ihr Leben im Kampf verschont. Danach hat sie darum gebeten, ihm die Treue zu schwören.«
»Von den drei Unsterblichen, die Lawhead die Seinen
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