Julius Lawhead 2 - Flammenmond
»Jetzt müssen wir erst einmal erreichen, dass du auch morgen früh noch in deinen Sarg klettern kannst.«
»Was verlangst du, das ich tun soll, Meister?«
KAPITEL 42
Eine halbe Stunde später hatte sich Brandon vollständig verwandelt. Sein glänzendes rabenschwarzes Haar fiel ihm fast bis zur Hüfte, er trug Blau, was ihm gut stand, und dazu seinen schönsten Türkisschmuck und eine Adlerfeder im Haar, die ihm einer der alten Männer nach dem Sonnentanz geschenkt hatte. Ich bat ihn, den Talisman, den er von Red Deer bekommen hatte, abzunehmen. Brandon weigerte sich, schob den schäbigen Lederbeutel unter sein Hemd, und ich gab mich damit zufrieden. Dass ich mit Curtis gesprochen hatte und der Clanführer herkam, um uns zu unterstützen, gab ihm neue Hoffnung. Mit diesem Gefühl im Herzen und dem entsprechenden Äußeren strahlte er genau den Stolz und die Selbstsicherheit aus, die Curtis für seinen Plan brauchte.
Doch es galt noch ein anderes Problem zu lösen. Christina wurde wach und wir konnten nicht jagen.
Ich klopfte an die Wohnwagentür, um mit unseren Bewachern zu sprechen. Die Tür wurde aufgeschlossen, und ich sah einem grimmig dreinblickenden Mexikaner entgegen. Die halbautomatische Waffe in seiner Hand ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, mit allen Mitteln unsere Flucht zu verhindern.
Ich erklärte ihm das Problem, und Christina ging nach kurzem Widerstreben mit ihm. Die Männer nahmen sie in die Mitte, dann fiel die Tür mit einem Knall zu und wurde abgeschlossen.
»Ich konnte sie weder von dir noch von mir trinken lassen. Wir müssen heute Nacht beide Stärke zeigen und du weißt, wie groß Christinas Hunger ist.«
»Ja, Meister«, sagte Brandon nur.
Ich begann unruhig auf und ab zu laufen und abwechselnd durch die kleinen Bullaugenfenster zu spähen. Brandon beobachtete mich, während ich wie ein Tiger im Käfig die Wände entlangstrich. Ich ging ihm auf die Nerven, aber er wagte nicht, etwas zu sagen. Stattdessen senkte er jedes Mal den Kopf, wenn ich in seine Nähe kam. Ich blieb wieder stehen und starrte hinaus. Mittlerweile war die Nacht zur perfekten, dunklen Bühne für Kangras italienischen Palast geworden. Ein Angestellter lief umher und entzündete eine Reihe von Öllichtern. Versteckte Scheinwerfer beleuchteten antike Säulen, die wie Überreste einer Ruine aus dem üppigen Grün ragten. Ein Springbrunnen mit badenden Nymphen vervollständigte die mediterrane Idylle.
»Weißt du, ob Curtis schon da ist?«, fragte Brandon und riss mich aus meinen Gedanken.
»Nein, nein, er ist nicht da.«
Brandon trat geräuschlos neben mich und dann starrten wir gemeinsam in die Nacht.
»Da kommt jemand.«
Amber sah Yiska überrascht an.
»Woher weißt du das?«, flüsterte sie. »Ich kann nichts hören.«
»Fühlen, Amber. Der Holzboden verrät es mir.«
Die Tür wurde geöffnet, und die Vampirin Ann stand vor ihnen.
Erleichtert sprang Amber auf und lief auf die Unsterbliche zu. Es war schön, ein vertrautes Gesicht vor sich zu haben.
Ann lächelte kurz. »Amber, Meister Kangra wünscht mit dir zu sprechen.«
»Ich komme mit!«, sagte Yiska und sprang auf.
»Nein, Sie müssen hier warten, der Meister wünscht ein Gespräch unter vier Augen.«
Amber gefiel der Ton nicht, in dem die Vampirin über Kangra sprach. Es klang zu freundlich, ihre Stimme enthielt zu viel Wärme.
»Wem gilt deine Loyalität, Ann? Deinem Meister oder deinem Herrn auf Zeit?«, fragte sie scharf.
Mittlerweile wusste Amber ihre Position als Julius’ Dienerin einzuschätzen. Die Vampire hatten sie in seiner Abwesenheit genauso zu respektieren, als sprächen sie mit ihm.
Ann befolgte die Etikette. Sie verbeugte sich leicht vor Amber und neigte ihren Kopf. »Meine Treue gilt meinem Meister, wie ich es geschworen habe. Ich bin hier, um für ihn zu bürgen. Ich garantiere, dass dir von Kangra keine Gefahr droht, das würde dem Eid, den ich geschworen habe, zuwiderlaufen.«
»Yiska, ich glaube ihr«, meinte Amber.
Ihr Bauchgefühl betrog sie selten, und sie kannte Ann. Die Unsterbliche verdankte Julius ihr Leben. Ann hatte die letzten Monate damit verbracht ihn anzuflehen, sie in seine Camarilla aufzunehmen, und Amber erinnerte sich noch genau an das Leuchten in Anns Augen, als ihr Wunsch endlich Wirklichkeit geworden war. Nein, wenn sie jemandem in Kangras Haus vertrauen konnte, dann war es Ann.
Yiska war sich weniger sicher. Er hatte in den letzten Stunden einfach zu viel Merkwürdiges erlebt.
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