Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jungs sind keine Hamster

Jungs sind keine Hamster

Titel: Jungs sind keine Hamster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmeißer
Vom Netzwerk:
Telefonzelle?“, fragte ich sie und schepperte extra mit den Gläsern und Flaschen im Kühlschrank rum.
    „Du hättest ja auch ein paar Minuten warten können.“
    „Minuten? Du telefonierst doch immer Stunden.“
    „Und wenn schon. Es geht dich gar nichts an, wo und wie lange ich telefoniere.“
    „Und dich geht es nichts an, wann ich Hunger habe und wann nicht. Und außerdem wäre ich gar nicht da, wenn du mich nicht reingelegt hättest.“
    „Erstens: Woher sollte ich wissen, dass deine Mutter dich einsperrt? Hannes hat uns nie Hausarrest gegeben. Er hält davon nichts“, sagte sie. „Und zweitens: selber schuld. Du hast angefangen!“
    Ich knallte die Tür des Kühlschranks zu.
    „Ich? Ich soll angefangen haben? Das ist lächerlich. Du hast mich aus meinem Zimmer vertrieben.“
    „Und du hast dich verbarrikadiert und mich beleidigt, anstatt mit mir darüber zu sprechen!“
    „Als ob das was gebracht hätte!“
    „Vielleicht hätte es ja was gebracht.“
    Jette lehnte sich zurück und begutachtete ihre makellosen, kein bisschen abgeknabberten Fingernägel. Ihr ruhiger Tonfall brachte mich erst recht zur Weißglut. Denn der, der ruhig bleibt, gewinnt neunundneunzig Prozent aller Streite. Und wenn er nicht gewinnt, wirkt er wenigstens nicht hysterisch.
    „Ach komm“, antwortete ich so gelassen wie möglich, „wir wissen beide, dass das keinen Unterschied gemacht hätte!“
    „Wer weiß, wer weiß“, flötete Jette. Sie stand auf, schnappte sich eine Illustrierte, die auf dem Tisch lag, sagte: „Ich gehe jetzt hoch in mein neues, schön großes Zimmer“, und ließ mich allein in der Küche stehen.
    Ich sah ihr nach, überlegte, ihr hinterherzustürmen und ihr noch mal die Meinung zu geigen, aber das wäre kontraproduktiv gewesen. Schließlich hat es keinen Sinn, einen lautstarken Aufstand zu proben, wenn man eigentlich heimlich aus dem Haus huschen will. Statt ihr also zu folgen und zu schimpfen, ging ich in den Flur, schlüpfte in Mamas Schlappen und schlich aus der Tür. Gerade als ich in den Garten abbiegen wollte, sprach mich jemand an.
    „Hannah? Was machst du denn da?“
    Ich blieb wie vom Donner gerührt stehen. Mist! Es war Hannes, der gerade von der Arbeit kam. Seine Aktentasche hielt er als Regenschutz über den Kopf. Wusste Hannes eigentlich, dass ich Hausarrest hatte?
    „Du hast doch Hausarrest.“
    Er wusste es. Wahrscheinlich hatte meine Mutter ihn angerufen und ihm ausführlich ihr schreckliches Leid geklagt, eine so furchtbare Tochter zu haben.
    „Müll rausbringen?“, antwortete ich.
    „Seit wann bringst du den Müll raus?“
    „Hab ich schon oft gemacht“, log ich.
    „Wirklich?“ Hannes kratzte sich seinen Dreitagebart.
    „Klar!“
    Er musterte mich von den Schlappen, den grauen Socken über die hässliche Jogginghose bis zum durchlöcherten Sweater. Gut, dass ich meine Tarnsachen trug.
    „Erzähl keinen Quatsch, Hannah. Was wolltest du? Abhauen?“
    „Was? Ich? So? In den Klamotten?“ Ich lachte blöd, künstlich, total übertrieben. Wie so eine feine Dame, die einen Witz nicht kapiert, sich das aber nicht anmerken lassen will. „Wie kommst du denn darauf?“
    „Na ja, du willst den Müll rausbringen und hast keinen Müll dabei.“
    Ich sah runter zu meinen leeren Händen.
    „Da habe ich doch den Müll in der Küche stehen lassen.“ Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Na so was!“
    „Na so was“, sagte Hannes trocken. „Sachen gibt’s.“
    „Lustig, was?“ Ich versuchte irgendwie, nicht ganz so doof dazustehen, und stellte mich deshalb als besonders doof hin.„Ich bin aber manchmal auch ein Schussel.“
    Wieder lachte ich blöd, künstlich und total übertrieben und schüttelte dabei den Kopf. Hannes lachte mit.

    „Ja, dann hol ihn mal schnell, den Müll“, schlug Hannes vor. „Wenn du ihn dann rausbringst, bin ich im Bad und kann dich nicht dabei beobachten. Aber ich denke, du weißt schon ganz genau, was du tust.“
    „Natürlich … klar …“, stotterte ich verblüfft. Wollte Hannes mir helfen?
    „Na denn.“ Hannes lief im Zickzack um die Pfützen herum zur Haustür. Ich folgte ihm. Und während Hannes seine Jacke auszog, holte ich die nahezu leere Mülltüte aus der Küche.
    „Zieh dir eine Jacke an, damit du dich auf dem Weg zur Mülltonne nicht erkältest“, sagte Hannes und zwinkerte mir zu.
    „Mach ich.“
    Dann war ich wieder draußen. Hannes war echt in Ordnung und ich echt total verblüfft, wie sehr in Ordnung

Weitere Kostenlose Bücher