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Jupiter

Jupiter

Titel: Jupiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bova Ben
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faszinierte.
    Muzorawa hatte ein Computermodell des weltumspannenden Ozeans ausgearbeitet, beruhend auf Daten von den Sonden, die sie unter die Wolkenhülle gesandt hatten. Diese Daten waren bestenfalls eine Serie von Annäherungswerten. Grant war entschlossen, sie zu vervollständigen und zu verfeinern und ein zutreffendes Bild davon zu gewinnen, wie diese ungeheure, mit Ammoniak und anderen Elementen durchmischte See wirklich beschaffen war.
    Sie arbeiteten gemeinsam im Labor für Flüssigkeitsdynamik. Grant fand es ziemlich lächerlich, das enge kleine Abteil ein Laboratorium zu nennen. Es ging keine wirklich experimentelle Arbeit vor sich. An Geräten waren nur ein schreibtischgroßer Windkanal, ein kleines Stoßwellenrohr und ein zwei Meter hoher transparenter Behälter vorhanden, der als Wolkensimulator diente. Es gab nichts, was die Druckverhältnisse und Temperaturen des Jupiterozeans simulieren könnte. Tatsächlich gab es nirgends eine Laboratoriumseinrichtung, welche die Bedingungen auf dem Jupiter auch nur annähernd künstlich erzeugen konnte. Also arbeitete man stattdessen mit Computersimulationen: elektronischen Annäherungen an die Realität mittels Programmen, die das wenige bekannte Wissen verarbeiteten und zurückspielten.
    Wenn die Eingabe nichts taugt, dachte Grant, kann auch nichts Gescheites herauskommen. Gleichungen waren kein Ersatz für richtige Daten.
    »Diese Forschung würde Stoff für eine gute Doktorarbeit abgeben«, sagte ihm Muzorawa eines Tages, als sie nebeneinander am Computer saßen.
    »Doktorarbeit?«
    Muzorawa neigte den Kopf auf die Seite, als dächte er darüber nach, dann meinte er: »Ja, wenn es Ihnen nichts ausmacht, vom Thema Astrophysik auf planetarische Physik umzusteigen.«
    Grant dachte darüber nach. Er könnte seine Zeit in der Station besser nutzen. Statt die vier Jahre zu vergeuden, könnte er sein Studium fortsetzen und das Material für eine Dissertation zusammentragen… Später, sobald er einen Posten an einer Universität bekäme, würde er noch immer tun können, was er wollte.
    »Natürlich würden Sie für alle im normalen Studiengang vorgesehenen Kurse die Arbeit machen müssen, um die notwendigen Scheine zu bekommen«, fuhr Muzorawa in seiner bedächtigen, überlegten Art fort. »Wir können uns die notwendigen Materialien von meiner Abteilung in Kairo schicken lassen. Ich könnte die Aufsicht und fachliche Betreuung übernehmen und…«
    Grant sperrte die Augen auf. »Sie sind an der Fakultät in Kairo?«
    »Im Fachbereich Physik«, antwortete Muzorawa in beiläufigem Ton. »Professor für Flüssigkeitsdynamik.«
    »Das ist die älteste Universität der Welt«, sagte Grant ehrfürchtig.
    Muzorawa lächelte bedächtig. »Ja, richtig. Al-Azhar wurde im zehnten Jahrhundert von den Fatimiden gegründet. Später ging sie in der Universität von Kairo auf.« Sein Lächeln wurde breiter. »Die Fakultätfür Physik ist eine vergleichsweise neue Ergänzung.«
    »Aber was tun Sie hier, wenn Sie eine Professur in Kairo haben?«
    Grants Frage schien Muzorawa zu überraschen. »Ich bin hier, um das Innere Jupiters zu studieren. Es ist das größte Problem der Flüssigkeitsdynamik, das direkter Beobachtung zugänglich ist.«
    »Sie sind freiwillig hier?«
    Der andere nickte ernst. »Und ich beabsichtige so lange wie möglich hier zu bleiben. Der Jupiterozean stellt ein Problem dar, das für einen Wissenschaftler eine Lebensaufgabe sein kann.«
    Grant konnte nur staunend den Kopf schütteln. Dies ist mein Mentor, dachte er stolz. Er wird mein Doktorvater sein. Sich Gedanken über die geistige Gesundheit eines Mannes zu machen, der freiwillig in einer Orbitalstation lebte, die sich der Erde niemals mehr als bis auf sechshundert Millionen Kilometer annäherte, kam Grant nicht in den Sinn.
    *
    An diesem Abend schickte Grant zum ersten Mal seit Monaten wirklich glückliche Botschaften an Marjorie und seine Eltern. Von seiner Frau hatte er seit mehr als einer Woche nichts gehört, wusste aber, dass sie sehr beschäftigt war. In ihrer letzten Botschaft hatte sie müde ausgesehen, abgespannt und besorgt. Er fragte sich, ob sie krank war, ob sie etwas vor ihm verbarg. Und ob sie ihn noch liebte.
    Das bereitete ihm Kopfzerbrechen. Wie konnte die Liebe zu jemandem andauern, wenn man vier Jahre getrennt und noch dazu Millionen von Kilometern voneinander entfernt ist? Er bemühte sich, Gedanken an Lane O’Hara aus seinem Bewusstsein zu verdrängen, sogar aus seinen Träumen.

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