Jupiter
fünfhundertmal tiefer als der tiefste ozeanische Graben auf Erden.
Und das lag noch im Oberflächenbereich des gigantischen Jupiter. Zum ersten Mal begann Grant zu verstehen, wie ungeheuer groß Jupiter war. Die Zahlen allein reichten nicht aus, um einen zutreffenden Eindruck zu vermitteln; sie konnten es nicht. Jupiter war einfach zu groß für bloße Zahlen.
Ein Ozean, dessen Oberfläche die gesamte Erdoberfläche um das Zehnfache übertraf und fünhundertmal tiefer als die Erdozeane war und doch nur wie eine dünne Zwiebelschicht die gigantische Masse des Planeten umhüllte. Unter diesem Ozean liegt eine weitere See, eine unvorstellbar immense See von flüssigem Wasserstoff und Helium, beinahe sechzigtausend Kilometer tief. Nahezu achtmal tiefer als der gesamte Erddurchmesser!
Und darunter steigt der Druck weiter an, erreicht das Millionenfache des normalen atmosphärischen Druckes und komprimiert den Wasserstoff zu festem Metall, das eine Temperatur von einigen zehntausend Grad hat. Unter diesem Mantel von metallischem Wasserstoff mag eine weitere Schicht aus flüssigem Helium liegen. Auf Erden wird Helium nur wenige Grade über dem absoluten Nullpunkt flüssig. Doch tief im Innern Jupiters wird Helium trotz der hohen Temperaturen im Kernbereich des Planeten verflüssigt, weil der unvorstellbare Druck von oben den Heliumatomen nicht mehr Raum genug gibt, um in den gasförmigen Zustand überzugehen.
Im Herzen des Planeten liegt ein massiver Kern aus Gestein und Metall, wenigstens fünfmal größer als die Erde, glühend unter dem ungeheuren Druck der planetarischen Masse, die auf ihm lastet. Seit mehr als vier Milliarden Jahren hat die immense Schwerkraft den Planeten langsam und unerbittlich zusammengedrückt und Gravitationsenergie in Hitze umgewandelt, sodass die Temperatur dieses festen Kerns auf dreißigtausend Grad Celsius anstieg und die Energie erzeugt, die den Planeten von innen erhitzt. Dieser heiße, massive Kern ist der ursprüngliche Protoplanet aus der Zeit, in der sich das Sonnensystem bildete, der Kern, um den sich allmählich Schichten von Wasserstoff und Helium und Ammoniak sammelten, von Methan und Schwefelverbindungen und Wasser.
Jupiters Kern war weit jenseits der Möglichkeiten irgendeiner Sondenerkundung. Grant musste sich mit Gleichungen zufriedengeben, die Schätzungen über den Zustand ermöglichten. Aber diese Zwiebelschale von Wasser, die den Ozean ausmachte, war jetzt seine Domäne. Er war entschlossen, ihre Geheimnisse zu erfahren, ihre Tiefen zu ergründen, ihre Geheimnisse aufzudecken. Die erste bemannte Mission war katastrophal gescheitert, weil sie auf die Bedingungen, die dort unten herrschten, nicht hinreichend vorbereitet gewesen war. Wo scheute keine Anstrengung, um sicher zu gehen, dass die nächste bemannte Mission in den Jupiterozean nicht in gleicher Weise enden würde.
Durch die rasche Umdrehung des Planeten gab es in dieser See schnelle und gefährliche Strömungen, angetrieben auch von den wilden, orkanartigen Winden der dichten Wolkenatmosphäre. Auch die Konvektionswärme aus dem Kernbereich erzeugte starke Unterströmungen, die oft in anderen Richtungen verliefen als die der oberen Schichten. So befand sich der Jupiterozean in ständiger turbulenter Bewegung. Orkane rasten über seine Oberfläche und wühlte die See mit der Energie von tausend Taifunen auf.
Muzorawa verbrachte jetzt sehr wenig Zeit im Labor; die meisten seiner wachen Stunden wurden von der Ausbildung für die Mission der Tauchsonde in Anspruch genommen. Dann und wann erschien er im Labor für Flüssigkeitsdynamik, manchmal auch unangemeldet, aber die meiste Zeit arbeitete Grant allein und rang mit dem Bemühen, ein Muster der großen globalen Strömungen kartographisch zu erfassen. Anfangs hatten ihn die langen Abwesenheiten seines Mentors beunruhigt, doch als die Wochen dahingingen, begriff Grant, dass Muzorawa ihm zutraute, die notwendige Arbeit zu tun. Ich entlaste ihn für die Tiefenmission, sagte sich Grant. Wäre ich nicht hier, diese Arbeit zu tun, würde er sich nicht auf die Mission vorbereiten können.
Eines Spätnachmittags betrat Muzorawa das Labor und ließ sich müde auf den leeren Stuhl neben Grant sinken.
»Wie geht es mit der Arbeit, mein Freund?«
»Sie glauben, jemand würde die Bewegungsgleichungen für turbulente Strömungen gelöst haben?«, fragte Grant, von der Arbeit aufblickend.
»Ja, die turbulenten Strömungen.« Muzorawa zeigte trotz seiner offensichtlichen
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