Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
der Länder Europas hat dazu beigetragen, dass es heute so friedlich zugeht.
Das Grundgesetz besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil stehen die Grundrechte. Die Grundrechte bestimmen, wie und wo der Staat den Bürger in Ruhe lassen muss. Im zweiten Teil steht, wie Deutschland organisiert ist – wer für welche Aufgaben zuständig ist.
Erster Teil: Die Grundrechte
Das Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg sollte ganz anders werden als das Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg. Daher regelt das Grundgesetz gleich zu Beginn, welche Rechte der Bürger gegenüber dem Staat hat. Diese Rechte nennt man Grundrechte. Es gibt 19 Grundrechte, einige davon sehen wir uns an.
a. Die Menschenwürde
Das wichtigste Grundrecht steht gleich zu Beginn: die Menschenwürde in Artikel 1: «Die Würde des Menschen ist unantastbar.» Würde ist der Respekt, den man einem Menschen entgegenbringt, sie ist Achtung und Wertschätzung. Jeder Mensch hat Würde, auch der Mörder.
Fall 4: «Lebenslange Freiheitsstrafe»
Robert ist 31 Jahre alt und verkauft Drogen an Süchtige. Von einem seiner Käufer wird Robert erpresst: «Wenn du mir die Drogen nicht schenkst, zeige ich dich bei der Polizei an und sage denen, dass du mit Drogen handelst.» Um nicht weiter erpresst zu werden, erschießt Robert den Drogenabhängigen von hinten. Ein Gericht verurteilt ihn wegen Mordes, und Robert muss für den Rest seines Lebens ins Gefängnis.
Robert findet diese Strafe menschenunwürdig, weil er nie wieder die Möglichkeit hat, in die Freiheit entlassen zu werden. Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr und Jahrzehnt für Jahrzehnt wird er in einer Zelle im Gefängnis wohnen müssen, und irgendwann wird er dort sterben. Für ihn wird es nie wieder Freiheit geben.
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die lebenslange Gefängnisstrafe gegen die Menschenwürde verstößt, und bejaht dies. Das Gericht sagt, auch ein Mörder müsse die Hoffnung haben, irgendwann wieder zurück in die Freiheit zu gelangen. Wer ohne Hoffnung lebe, gebe sich auf, werde stumpf und sehe im Leben keinen Sinn mehr. Ein Mörder sei aber keine «Sache», die man behandeln könne, wie man wolle. Auch der Mörder sei ein Mensch, den man als solchen behandeln müsse.
Urteil vom 21. Juni 1977 (1 BvL 14/76)
Weil das höchste deutsche Gericht die lebenslange Freiheitsstrafe für menschenunwürdig gehalten hat, musste der Gesetzgeber die lebenslange Freiheitsstrafe abändern. Es gibt sie zwar nach wie vor. Bei jedem Mörder muss jedoch nach 15 Jahren Gefängnis geprüft werden, ob er nicht entlassen werden kann (§ 57a StGB). Daher bleibt ein Mörder heutzutage durchschnittlich etwas weniger als 20 Jahre im Gefängnis, aber nicht mehr sein ganzes Leben.
b. Die Religionsfreiheit
An deiner Schule gibt es Kinder vieler Glaubensrichtungen. Die meisten deiner Mitschüler sind Christen, nicht wenige sind Muslime, und einige werden Juden sein. Manche haben auch gar keinen Glauben. Dass jeder das glauben darf, was er mag, steht im Grundgesetz: «Die Freiheit des Glaubens … (ist) unverletzlich.» Welchen Glauben die Menschen haben, sieht man ihnen in den meisten Fällen nicht an. Anders ist dies bei Musliminnen. Sie tragen oft ein Kopftuch. Das ist Teil ihrer Religion und natürlich nicht verboten. Aber was ist, wenn eine Muslimin Polizistin, Richterin oder Lehrerin werden will? Dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen?
Fall 5: «Kopftuchverbot»
Hürrem ist Türkin. Sie ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Hürrem ist Muslimin und trägt ein Kopftuch. Sie hat «Lehramt» studiert und möchte Lehrerin werden. Das Land, das für die Einstellung von Lehrern zuständig ist, sagt zu Hürrem: «Wer ein Kopftuch trägt, kann nicht Lehrerin werden.» Das findet Hürrem nicht richtig. Sie will weiter ihr Kopftuch tragen und trotzdem Lehrerin werden. Sie klagt gegen die Entscheidung, dass sie nicht Lehrerin werden darf. Die Gerichte, die sich mit ihrem Fall beschäftigen, finden auch, dass Frauen, die ein Kopftuch tragen, nicht Lehrerin werden dürfen. Hürrem geht schließlich zum Bundesverfassungsgericht. Dort beschäftigen sich acht Richter mit der Frage: Verstößt ein Kopftuchverbot gegen die Religionsfreiheit?
Das Bundesverfassungsgericht sagt: Ja, ein Kopftuchverbot verstößt gegen die Religionsfreiheit. Hürrem darf Lehrerin werden. Der Staat dürfe den Menschen nicht sagen, was sie glauben sollen. Jeder dürfe das glauben, was er wolle, und sich so verhalten, wie es sein
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