Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
Glaube sagt. Auch Hürrem dürfe das. Durch eine Lehrerin mit Kopftuch würden die Schüler nicht beeinträchtigt. Es bedeute nicht, dass Männer die Frauen unterdrücken wollten, sondern das Kopftuch sei Teil einer Tradition. Auch Frauen, die nicht streng gläubig seien, trügen ein Kopftuch. Etwa so, wie auch Menschen, die an keinen Gott glauben, Weihnachten und Ostern feiern. Also dürfe Hürrem Lehrerin werden.
Urteil vom 24. September 2003 (2 BvR 1436/02)
Die acht Richter haben sich bei diesem Fall sehr gestritten. Nur fünf der acht Richter – aber eben die Mehrheit – haben gesagt, dass man einer Lehrerin ein Kopftuch nicht verbieten dürfe. Die anderen drei Richter waren anderer Meinung. Sie fanden, ein Kopftuch, das ja nur Frauen tragen, vermittle den Kindern ein falsches Frauenbild. Das aber dürfe eine Schule nicht. Eine Schule habe die Aufgabe, Mädchen und Jungen gleich zu erziehen und ihnen ein modernes Frauenbild zu vermitteln – ein Bild der Gleichberechtigung. Und weil den Richtern ihre Meinung so wichtig war, haben sie diese unter das Urteil geschrieben. Obwohl es im Ergebnis nichts gebracht hat. Die drei Richter konnten sich gegen die anderen fünf Richter nicht durchsetzen. Man nennt das ein Minderheitenvotum.
c. Die Meinungsfreiheit
In Artikel 5 Grundgesetz steht: «Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern». Anders als unter Adolf Hitler darf heute jeder Bürger auf die Politik schimpfen oder Politiker kritisieren. Wenn dein Vater sagt: «Diese Idioten in Berlin erlassen immer nur Gesetze für die Reichen» ist das vielleicht nicht nett, aber erlaubt. Der Staat darf solche Äußerungen nicht verbieten. Genauso ist das mit dem Spruch «Soldaten sind Mörder». Auch das darf man sagen, ohne wegen Beleidigung bestraft zu werden.
Fall 6: «Soldaten sind Mörder»
Der Fall spielt während des Zweiten Golfkrieges 1990/91. In dieser Zeit hatte ein Autofahrer einen Aufkleber auf seinem Auto: «Soldaten sind Mörder.» Dieser Spruch stammt von Kurt Tucholsky. Viele Soldaten waren über den Aufkleber empört. Anders als der Mörder töten sie doch nicht grundlos, sondern kämpfen dafür, dass bald wieder Frieden herrscht! Ein Gericht hat den Autofahrer wegen Beleidigung von Bundeswehrsoldaten verurteilt.
Das Bundesverfassungsgericht, unser höchstes Gericht, fand diese Entscheidung falsch und hob sie auf. Jeder dürfe seine Meinung frei äußern und sagen, was er denke, solange er niemand Bestimmten beleidige. Du kannst zum Beispiel sagen, dass du deinen Mathelehrer schlecht findest. Du musst noch nicht einmal sagen, warum du ihn schlecht findest, etwa, weil er nicht gut erklären kann. Nur beleidigen darfst du ihn nicht. Du darfst also nicht sagen, dass er ein «Zahlenidiot» ist. Mit dem Ausdruck «Idiot» würdest du nämlich sagen, dass dein Lehrer nicht «alle Tassen im Schrank hat» und würdest ihn herabwürdigen. Für den «Soldaten sind Mörder»–Aufkleber bedeutet dies: Ein Mord ist zwar die schlimmste Straftat, die man begehen kann. Der Autofahrer wollte durch diesen Spruch aber nicht zum Ausdruck bringen, dass jeder Soldat der Bundeswehr einen Mord begehe. Er wollte nur sagen, dass in einem Krieg Menschen getötet werden und dass er das nicht richtig findet.
Urteil vom 25. August 1994 (1 BvR 1423/92)
Viele Menschen und ganz besonders viele Soldaten haben sich damals sehr über dieses Urteil geärgert.
d. Die Kunstfreiheit
In Art. 5 Grundgesetz steht: «Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.» Unter Hitler war nur die Kunst erlaubt, die Hitler schön fand. Alles andere war «entartet» und wurde vernichtet. An den Universitäten durfte nur das erforscht und herausgefunden werden, was Hitler gefallen hat. Damit istunter dem Grundgesetz Schluss. Heute sind Dinge zulässig, die nicht jeder gut und richtig findet. Man muss nicht immer einer Meinung sein. Wäre ja auch langweilig:
«Pfahlsitzen in Frankfurt»
Im Jahr 2003 fand eine Kunstaktion in Frankfurt statt: das Pfahlsitzen. Das ist so wie «Baumhaussitzen» – wer hält es am längsten auf einem Baumhaus aus? Auf sieben meterhohen Pfählen saßen damals sieben Menschen sieben Tage lang. Es waren alles Menschen in schwierigen Lebenssituationen: Arbeitslose, Obdachlose und Hoffnungslose. Die Zuschauer dieser Aktion konnten wetten, welcher «Pfahlsitzer» es am längsten auf seinem Pfahl aushält. Gewonnen hat eine Frau. 122 Stunden und 45 Minuten hat sie auf ihrem Pfahl gesessen. Sie gewann 3000
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