Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
Euro (FAZ vom 14. September 2003).
Viele Menschen haben sich über diese Aktion aufgeregt. Sie fanden, dass das «Pfahlsitzen» verboten werden müsse. Es sei nur schrecklich und keine Kunst. Was soll daran Kunst sein, wenn sich jemand tagelang auf einen Pfahl hockt und von anderen Leuten angestarrt wird? Einige Menschen waren sogar so empört, dass sie gegen das «Pfahlsitzen» geklagt haben. Ohne Erfolg. Das «Pfahlsitzen» ist von der Kunstfreiheit gedeckt. Der Künstler, der sich die Aktion ausgedacht hat, wollte zum Ausdruck bringen, dass jeder Mensch auf sich selbst gestellt ist, dass er allein ist und dass ihm in schwierigen Situationen keiner helfen kann. Wer allein auf einem Pfahl sitzt, wird nass, wenn es regnet, kann einen Sonnenbrand bekommen, wenn die Sonne scheint, und kann mit niemandem reden, wenn er Angst hat. Da nützt es auch nichts, dass Tausende Leute drum herum stehen und ihn angucken. So hat der Künstler das gemeint, und wenn man drüber nachdenkt … ganz so dumm war die Aktion eigentlich gar nicht, oder?
e. Das Eigentum
«Lass das, das gehört mir!» Diesen Satz hast du früher sicher oft gesagt. Gerade kleinere Kinder sind peinlich darauf bedacht, dass niemand mit ihren Sachen spielt, sonst brüllen sie los. Die Botschaft ist klar: «Ich entscheide, wer mit meinen Sachen spielendarf, sonst niemand.» Und das stimmt. Der Eigentümer einer Sache kann damit tun und lassen, was er will – er kann sie nutzen oder nicht nutzen, er kann sie ausleihen, er kann sie kaputt machen und wenn er sie auf den Müll schmeißt, dann ist das auch in Ordnung. So steht es in Artikel 14 Grundgesetz: «Das Eigentum (… wird) gewährleistet.»
Die Regel, dass ich mit meinen Sachen machen kann, was ich will, gilt so lange, wie Interessen anderer Menschen nicht beeinträchtigt werden. Daher steht noch etwas im Grundgesetz: «Eigentum verpflichtet.» Eigentum berechtigt also nicht nur, es verpflichtet auch. Schließlich wollen wir rücksichtsvoll miteinander leben, nicht rücksichtslos. Daher kann man mit seinem Eigentum nur so umgehen, dass andere nicht zu Schaden kommen: Ein Vermieter darf für seine Wohnung nicht einen Wucherpreis verlangen, auch dann nicht, wenn der Mieter bereit wäre, diesen zu bezahlen. Der Grund: Der reiche Vermieter soll den armen Mieter nicht ausnutzen dürfen. Oder: Der Eigentümer eines Hauses darf in seinem Garten keinen Baum fällen, der eine bestimmte Größe hat. Der Grund: Diese Bäume sehen nicht nur schön aus, sie liefern allen Menschen Sauerstoff und sind daher lebensnotwendig. Weil also alle Menschen ein Interesse an Wohnungen und Bäumen haben, dürfen deren Eigentümer nicht damit tun, was sie wollen. Man spricht von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
Es gibt nicht nur Eigentum, das man sehen kann, sondern auch Eigentum, das man nicht sehen kann, das sogenannte «geistige Eigentum». Wenn du ein Lied komponierst oder eine Zeichnung gemacht hast, dann gehören Lied und Zeichnung dir. Sie sind dein Eigentum. Auch dann, wenn das Lied schräg und die Zeichnung hässlich ist. Niemand außer dir darf dein Lied oder deine Zeichnung nutzen. Jetzt wäre es dir wahrscheinlich egal, ob jemand dein Lied als Hintergrundmusik für seinen Internetauftritt verwendet oder deine Zeichnung in der Schülerzeitung erscheint.Vielleicht wärst du sogar geschmeichelt. Nicht wenige Menschen aber leben von ihren Liedern und Zeichnungen, Büchern und Erfindungen. Sie sind von Beruf Musiker, Maler, Autor oder Wissenschaftler. Und sie wollen mit ihren Tätigkeiten Geld verdienen. Das können sie aber nur dann, wenn nicht alle Menschen ihr Eigentum einfach nutzen dürfen. Es kann ja auch nicht jeder mit deinem Fahrrad herumfahren. Also muss jeder, der Interesse an dem geistigen Eigentum eines anderen hat, Geld an diesen bezahlen. Das tut man im Regelfall dadurch, indem man Geld für eine CD, DVD oder ein Buch bezahlt. Mit dem Kauf von CD, DVD oder Buch hat man das Recht erworben, die CD anzuhören, die DVD anzusehen oder das Buch zu lesen. Was du aber nicht machen darfst: Du darfst die CD, die DVD oder das Buch nicht dafür nutzen, um Geld damit zu verdienen. So steht es im Urheberrechtsgesetz. Du darfst an deiner Schule beispielsweise nicht den Film «Der Mann mit den dicken Muskeln» zeigen und dafür einen Eintritt von 3 Euro verlangen. Damit wäre der Hersteller des Films nicht einverstanden. Wenn du also ins Kino gehst und «Der Mann mit den dicken Muskeln» anschaust, dann kannst du
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