Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
ausführlich, was euch alles im Urlaub passiert ist und warum deine Eltern 1000 Euro vom Reisepreis zurückhaben wollen. Diese Klagebegründung schickt Frau Schlesinger an das Gericht. Der Richter liest sich die Klagebegründung durch und schickt eine Kopie davon dem Reiseveranstalter. Der Reiseveranstalter liest sie sich durch und schreibt dann, warum er findet, dass er nichts an deine Eltern zahlen muss. Diese Antwort auf die Klage nenntman Klageerwiderung. Diese Klageerwiderung schickt er ans Gericht, das eine Kopie an die Rechtsanwältin deiner Eltern, Frau Schlesinger, schickt. Jetzt wurde genug geschrieben, es ist Zeit, den Streit persönlich zu besprechen. Der Richter bestimmt einen Termin zur mündlichen Verhandlung. Die mündliche Verhandlung ist ein persönliches Treffen des Richters mit den Parteien im Gerichtsgebäude. Dazu lädt der Richter die Rechtsanwältin eurer Eltern ein, Frau Schlesinger, sowie den Reiseveranstalter. Frau Schlesinger fragt deine Eltern, ob sie zu dem Termin mitkommen wollen, aber deine Eltern haben keine Lust. Die ganze Sache hat sie schon genug Zeit und Nerven gekostet.
In der mündlichen Verhandlung sagt der Richter, was er von dem Streit hält. Manchmal hat ein Richter noch Fragen. Er fragt zum Beispiel, wie viele Presslufthammer Tag und Nacht gearbeitet haben. Er lässt sich von Frau Schlesinger Photos zeigen, wie hässlich die Baustelle neben dem Hotel war. Der Reiseveranstalter hat eine Hotelangestellte mitgebracht, die als Zeugin schildert, warum es immer nur Spaghetti gab – du erinnerst dich, die Geschichte mit dem kranken Koch – und dass die anderen Gäste immer sehr zufrieden waren. Dann versucht der Richter, dass sich die Parteien einigen. Der Richter schlägt vor, dass deine Eltern mit 500 Euro und dem Reisegutschein zufrieden sein sollen. Aber das genügt deinen Eltern nicht. Sie lehnen den Vergleichsvorschlag ab, und deshalb geht der Prozess weiter. Der Richter muss den Streit entscheiden. Das tut der Richter im Regelfall nicht sofort, sondern er lässt sich ein paar Wochen Zeit.
Dazu schaut sich der Richter den Fall noch einmal genau an und wendet auf den Sachverhalt das Gesetz an. Das Gesetz sagt: Wer nicht bekommt, was ihm vertraglich versprochen worden ist, bekommt eine Entschädigung in Geld. Der Richter findet, dass deine Eltern nicht bekommen haben, was der Reiseveranstalter ihnen versprochen hat. Aber der Richter findet auch, dass800 Euro genug Entschädigung sind. Er schreibt daher ein Urteil, das mit folgendem Satz beginnt: «Der Beklagte (das ist der Reiseveranstalter) wird verurteilt, an die Kläger (das sind deine Eltern) 800 Euro zu zahlen.» Danach begründet der Richter ausführlich, von welchem Sachverhalt er überzeugt ist und warum deine Eltern Euro 800 bekommen sollen. In dem Urteil steht, dass der Richter davon überzeugt ist, dass die Umgebung des Hotels laut und hässlich war. Das haben die Photos gezeigt, die Frau Schlesinger in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat. Und die Geschichte mit dem kranken Koch interessiert den Richter nicht. Der kranke Koch sei das Problem des Hotels gewesen, kein Problem deiner Eltern. Schließlich schreibt der Richter aber auch, dass die Reise trotz dieser Probleme – Juristen sprechen von «Mängeln» – besser war als eine Reise, die man für 1000 Euro hätte buchen können. Deshalb bekommen deine Eltern nur 800 Euro zurück, so dass sie für die Reise also insgesamt 1200 Euro bezahlt haben. Deine Eltern freuen sich über das Urteil, denn es hätte ja auch sein können, dass der Richter ihre Klage abweist. Dann hätte der beklagte Reiseveranstalter das Verfahren gewonnen, und deine Eltern hätten als Kläger nicht nur die Gerichtsgebühren bezahlen müssen, sondern auch den Rechtsanwalt des Reiseveranstalters. Das wäre richtig teuer geworden.
Dies war eine Klage im Schnellverfahren. In Wirklichkeit gehen nur wenige Verfahren so schnell zu Ende. Oft muss der Kläger zunächst beweisen, was wirklich passiert ist. Wenn zum Beispiel in unserem Verfahren der beklagte Reiseveranstalter gesagt hätte, euer Zimmer hätte doch einen Meerblick gehabt, dann hätten deine Eltern beweisen müssen, dass es keinen hatte. Sie hätten dafür dich als Zeugen benennen können. Dann hättest du vor Gericht erscheinen und erzählen müssen, wie es denn gewesen ist. Manchmal muss ein Richter auch einen Gutachter beauftragen. Bei Reiserechtsstreitigkeiten ist dies eher selten der Fall, abersehr oft in Baustreitigkeiten
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