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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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es kaum abwarten, Familienfotos von uns zu machen. An dem Nachmittag, an dem wir zu ihm kamen, war er gut gekleidet und aufmerksam, verließ aber oft den Raum, weil ihm übel wurde. Ich konnte nur hilflos zusehen, wie stoisch er sein Leiden herunterspielte.
    Er machte nur eine Handvoll Aufnahmen, mehr brauchte er auch nie. Lebendige Porträts von Jackson, Fred und mir gemeinsam, von uns allen vieren, und kurz bevor wir gehen wollten, sagte er: »Warte einen Moment. Lass mich noch eins von dir und Jesse machen.«
    Ich hielt Jesse auf dem Arm, und sie streckte lächelnd die Hände nach ihm aus. »Patti«, sagte er und drückte auf den Auslöser, »sie ist vollkommen.«
    Es war unser letztes Foto.

    Von außen betrachtet schien Robert alles zu haben, was er sich je erträumt hatte. Eines Nachmittags saßen wir in seinem Loft, umgeben von den Zeugnissen seines wachsenden Erfolgs. Ein perfektes Studio, geschmackvolle und exquisite Wertgegenstände, die Mittel und Möglichkeiten, alles umzusetzen, was ihm vorschwebte. Er war jetzt ein Mann; ich dagegen fühlte mich in seinerGegenwart immer noch wie ein junges Mädchen. Er schenkte mir eine Bahn indisches Leinen, ein Notizbuch und eine Krähe aus Papiermaché. Kleine Dinge, die er während der langen Zeit unserer Trennung zusammengetragen hatte. Wir versuchten die Leerstellen zu füllen: »Ich habe meinen Lovern immer Tim-Hardin-Songs vorgespielt und ihnen von dir erzählt. Ich habe für dich Fotos für eine Übersetzung von Eine Zeit in der Hölle gemacht.« Ich sagte ihm, dass er die ganze Zeit bei mir gewesen war, ein Teil von mir, genau wie jetzt in diesem Moment.
    Immer der Beschützer, versprach er mir wie schon damals in unserem kleinen Eckchen der Twenty-third Street, wenn es nötig würde, könnten wir zusammen in ein richtiges Zuhause ziehen. »Sollte je etwas mit Fred passieren, mach dir bitte keine Sorgen. Ich kaufe uns ein Stadthaus, so ein Brownstone wie das von Warhol. Du kannst dann bei mir wohnen, und ich helfe dir, die Kinder großzuziehen.«
    »Fred wird schon nichts passieren«, beruhigte ich ihn. Er schaute nur weg.
    »Wir haben keine Kinder bekommen«, sagte er wehmütig.
    »Unsere Arbeiten sind unsere gemeinsamen Kinder.«
    An die genaue Chronologie der letzten Monate kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hörte auf, Tagebuch zu führen, ich hatte wohl den Mut verloren. Fred und ich pendelten ständig zwischen Detroit und New York hin und her, der Arbeit und Roberts wegen.
    Robert erholte sich. Er arbeitete. Dann kam er wieder ins Krankenhaus. Und irgendwann wurde sein Loft zum Krankenzimmer.
    Jeder Abschied war eine neue Zerreißprobe. Ich hatte die fixe Idee, wenn ich nur bei ihm bliebe, würde er auch überleben. Zugleich wehrte ich mich gegen das immer stärker werdende Gefühl von Resignation. Ich schämte mich dafür, denn Robert selbst kämpfte, als könne er die Krankheit mit reiner Willenskraft besiegen. Er hatte alles von Wissenschaft bis Voodoo versucht, nurBeten nicht. Wenigstens das konnte ich für ihn tun. Ich betete unablässig für ihn, das Gebet eines verzweifelten Menschenkinds. Nicht um sein Leben betete ich, das Schicksal konnte ihm niemand abnehmen, aber um die Kraft, das Unerträgliche zu ertragen.
    Mitte Februar flogen wir, getrieben von einem Gefühl von Unruhe, nach New York. Ich ging alleine zu Robert. Es wirkte alles so still bei ihm. Plötzlich wurde mir bewusst, dass sein furchtbares Husten nicht mehr zu hören war. Ich blieb neben seinem leeren Rollstuhl stehen. Eines der Eisberg-Bilder von Lynn Davis beherrschte die Wand, ein Eisberg, der sich wie ein von der Natur geformter Torso aus dem Wasser erhob. Robert besaß eine weiße Katze, eine weiße Schlange, und auf dem selbst entworfenen weißen Tisch lag der Prospekt für eine weiße Stereoanlage. Mir fiel auf, dass er ein weißes Quadrat in das Schwarz eingefügt hatte, das seinen schlafenden Cupido umrahmte.
    Bis auf seine Pflegerin war niemand da, sie ließ uns allein. Ich stand neben seinem Bett und ergriff seine Hand. So verharrten wir lange, ohne etwas zu sagen. Plötzlich blickte er auf und fragte: »Patti, hat die Kunst uns drangekriegt?«
    Ich blickte weg, denn darüber wollte ich eigentlich nicht nachdenken. »Ich weiß es nicht, Robert. Ich weiß es nicht.«
    Vielleicht war es so, doch wer wollte das bereuen? Nur ein Dummkopf – oder ein Heiliger – würde es bereuen, von der Kunst drangekriegt worden zu sein. Robert gab mir zu verstehen, ich solle ihm beim

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