Just Kids
MDA nehmen. Ich war mir zwar nicht ganz im Klaren, was MDA war, vertraute Robert aber blind und stimmte daher zu. Als wir mit dem Film anfingen, war ich mir gar nicht richtig bewusst, ob es schon wirkte oder nicht. Ich war zu sehr auf meine Rolle konzentriert. Ich zog mein weißes Kleid an und die Fußglöckchen und ließ das Bündel offen auf dem Boden liegen. Vieles ging mir durch den Kopf: die Offenbarung. Kommunikation. Engel. William Blake. Luzifer. Geburt. Während ich redete, filmte Lisa, und Robert machte Fotos. Er lenkte mich wortlos. Ich war das Ruderblatt im Wasser und er der Steuermann.
Irgendwann beschloss ich, das Netz herunterzuziehen, womit ich letztlich kaputt machte, was er konstruiert hatte. Ich griff nach oben, packte den Rand des Gewebes und erstarrte, ich war wie gelähmt, unfähig mich zu bewegen, unfähig, etwas zu sagen. Robert war sofort bei mir und legte mir die Hand aufs Handgelenk. So blieb er, bis er spürte, wie ich mich entspannte. Er kannte mich so gut, dass er mir, ohne ein Wort zu sagen, zu verstehen gab, dass alles in Ordnung war.
Der Augenblick ging vorüber. Ich schlang das Netz um mich, sah ihn an, und er fotografierte mich in der Bewegung. Ich zog das zarte Kleid aus und legte die Fußglöckchen ab. Dann zog ich meine Jeans an, meine schweren Stiefel, mein altes schwarzes Sweatshirt – meine Arbeitskleidung –, legte alles andere auf dem Laken zusammen und warf es mir als Bündel über die Schulter.
In dem Film spielte ich Ideen und Themen durch, die Robert und ich oft diskutierten. Der Künstler nimmt intuitiv Fühlung mit dem Göttlichen auf, doch um künstlerisch tätig zu sein, muss er diesen reizvollen, unkörperlichen Bereich wieder verlassen. Er muss in die materielle Welt zurückkehren, um seine Arbeit zu tun. Es liegt in der Verantwortung des Künstlers, das Gleichgewicht zwischen der mystischen Kommunikation und dem schöpferischen Akt zu finden.
Ich ließ Mephistopheles, die Engel und die letzten Spuren der von unserer Hand geschaffenen Welt zurück und sagte damit: »Ich wähle das Irdische.«
Ich ging mit meiner Band auf Tour. Robert rief mich täglich an. »Arbeitest du auch für unsere Ausstellung? Hast du neue Zeichnungen gemacht?« Von Hotel zu Hotel telefonierte er mir hinterher. »Patti, was machst du gerade? Zeichnest du?« Weil er sich solche Sorgen deswegen machte, ging ich, als ich in Chicago drei Tage Tourpause hatte, zu einem Laden für Künstlerbedarf und kaufte mir mehrere Bögen Arches satiniert, mein Lieblingspapier, und pflasterte die Wände meines Hotelzimmers damit zu. Ich heftete das Foto des jungen Manns, der in den Mund eines zweiten uriniert, daneben, und fertigte mehrere darauf basierende Zeichnungen an. Ich arbeitete immer in Schüben. Als ich sie nach New York mitbrachte, war Robert, der anfangs leicht verärgert über meine Anlaufschwierigkeiten gewesen war, sehr zufrieden. »Patti«, sagte er, »warum hast du so lange gebraucht?« Robert zeigte mir die Arbeit für die Ausstellung, die ihn während meiner Abwesenheit beschäftigt hatte. Er hatte Abzüge von einer Serie von Stills aus dem Film gemacht. Ich war so mit meinem Spiel beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie viele Fotos er geschossen hatte. Sie gehören mit zu den besten Bildern, die wir je zusammen gemacht haben. Er beschloss, den Film Still Moving zu betiteln, da er die Stills in die endgültige Fassung des Films miteinbaute. Dann mixten wir einen Soundtrack aus meinen Kommentaren, etwas E-Gitarre von mir und Passagen aus Gloria. Damit hatte er die vielen Facetten unserer künstlerischen Arbeit gebündelt – Fotografie, Lyrik, Improvisation und Performance.
Still Moving veranschaulichte Roberts Vorstellung von einer zukünftigen Synthese von visuellem Ausdruck und Musik. So etwas wie ein Musikvideo, das als eigenständige Kunstform bestehen konnte. Robert Miller fand den Film prima und stellte uns einen kleinen Raum zur Verfügung, in dem er in Endlosschleife laufen konnte. Er wollte, dass wir ein Plakat entwarfen, und wir wähltendafür beide ein Bild des anderen, um unseren gemeinsamen Glauben an den anderen als Künstler und Muse zu bekräftigen.
Wir kleideten uns bei Sam Wagstaff für die Ausstellungseröffnung an. Robert zog ein weißes Hemd mit aufgerollten Ärmeln an, eine Lederweste, Jeans und spitze Schuhe. Ich trug einen seidenen Windbreaker zu einer eng geschnittenen Hose. Man sollte es nicht für möglich halten, aber mein Outfit
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