Just Kids
gefiel Robert. Leute aus den verschiedensten Welten, mit denen wir seit unserer Zeit im Chelsea in Berührung gekommen waren, kamen zur Vernissage. Rene Ricard, der Lyriker und Kunstkritiker, schrieb einen wundervollen Beitrag über die Ausstellung unter dem Titel »Das Tagebuch einer Freundschaft«. Ich stehe tief in Renes Schuld, denn er hat mich oft geschubst, mich aufgefordert, weiterzumachen, wenn ich daran dachte, das Zeichnen aufzugeben. Als ich neben Robert und Rene stand und mir die Bilder in den vergoldeten Rahmen anschaute, war ich beiden dankbar, weil sie nicht zugelassen hatten, dass ich das Zeichnen drangab.
Es war unsere erste und letzte gemeinsame Ausstellung. Die Arbeit mit meiner Band und Crew führte mich während der Siebziger weit weg von Robert und dem Universum, das wir geteilt hatten. Und während ich durch die Welt tourte, musste ich oft daran denken, dass Robert und ich nie gemeinsam verreist waren. Außer in Büchern sind wir nie gemeinsam über New York hinausgekommen, haben nie nebeneinander in einem Flugzeug gesessen und uns bei der Hand gehalten, sind nie zusammen in den Himmel gestartet und in einer anderen Welt gelandet.
Aber dennoch, Robert und ich hatten die Grenzen unserer Kunst ausgelotet und einander Räume erschlossen. Wenn ich irgendwo auf der Welt auf die Bühne trat, schloss ich meine Augen und sah ihn vor mir, wie er sich seine Lederjacke abstreifte und mit mir gemeinsam das grenzenlose Land der tausend Tänze betrat.
Eines Spätnachmittags schlenderten wir zusammen über die Eighth Street, als uns plötzlich auffiel, dass aus jedem Laden Because the Night dröhnte. Es war die Singleauskopplung von meinem Album Easter, die ich zusammen mit Bruce Springsteen geschrieben hatte. Robert war der Erste gewesen, der diese Nummer gleich nach ihrer Aufnahme zu hören bekommen hatte. Nicht ohne Grund. Genau das hatte er sich immer für mich gewünscht. Im Sommer 1978 kletterte der Song auf Platz 13 der Top-40-Charts und erfüllte Roberts Traum, dass ich irgendwann mal einen Hit landen würde.
Robert lächelte und wiegte sich beim Gehen im Rhythmus des Songs. Er steckte sich eine Zigarette an. Wir hatten einiges zusammen durchgestanden, seit er mich damals vor dem ominösen Science-Fiction-Autor gerettet und mir einen Egg Cream am Tompkins Square spendiert hatte.
Robert war ungeniert stolz auf meinen Erfolg. Was er sich selbst wünschte, wollte er immer auch für mich. Der Zigarettenrauch strömte als makelloser Streifen aus ihm heraus, und er verfiel in den Tonfall, den er nur mir gegenüber anschlug, halb leicht empörter Tadel, halb neidlose Bewunderung, unsere Bruder-und-Schwester-Sprache:
»Pattiiii«, sagte er gedehnt, »jetzt bist du noch vor mir berühmt geworden.«
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Im Frühjahr 1979 kehrte ich New York den Rücken, um mit Fred Sonic Smith ein neues Leben anzufangen. Eine Zeit lang lebten wir in einem Zimmerchen im Book Cadillac, einem historischen, wenn auch fast verwaisten Hotel im Zentrum von Detroit. Wir besaßen nichts außer seinen Gitarren, meinen unverzichtbarsten Büchern und meiner Klarinette. Ich lebte also mit dem Mann, den ich zu meiner letzten Liebe erwählt hatte, genauso, wie ich mit meiner ersten Liebe gelebt hatte. Über diesen Mann, der schließlich mein Ehemann wurde, möchte ich nur so viel sagen: Er war ein König unter den Menschen, und die Menschen wussten das.
Abschiednehmen fiel uns beiden schwer, aber es war Zeit für mich, auf eigenen Füßen zu stehen. » Und was wird aus uns?«, hatte Robert plötzlich gefragt. » Meine Mutter glaubt immer noch, wir wären verheiratet.«
Daran hatte ich gar nicht gedacht. » Dann musst du ihr wohl sagen, dass wir geschieden sind.«
» Das kann ich nicht«, er blickte mir gerade ins Gesicht. » Katholiken lassen sich nicht scheiden.«
In Detroit setzte ich mich auf den Boden, um ein Gedicht für Roberts Y -Mappe zu schreiben. Er hatte mir einen Blumenstrauß überreicht, ein Bukett aus Fotografien, die ich mir an die Wand gepinnt hatte. Ich schrieb ihm vom kreativen Prozess, der Wünschelrute und dem vergessenen Vokal. Ich zog mich ins Privatleben zurück. Mein neues Leben lag fernab der Welt, die ich gekannt hatte, dennoch war Robert immer in meinen Gedanken; der blaue Stern am Firmament meiner persönlichen Kosmologie.
BEI ROBERT WURDE GENAU ZU DEM ZEITPUNKT AIDS diagnostiziert, als ich erfuhr, dass ich mit meinem zweiten Kind schwanger war. Es war Ende September 1986, und die Äste der
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