Kabale und Liebe
möchte—Würdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn sein wollen?
Ferdinand. Nein! So wahr Gott lebt!
Präsident. Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit wegen vergebe-Ferdinand. Ich bitte Sie, Vater! Lassen Sie mich nicht länger in einer Vermuthung, wo es mir unerträglich wird, mich Ihren Sohn zu nennen.
Präsident. Junge, bist du toll? Welcher Mensch von Vernunft würde nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem dritten Orte zu wechseln?
Ferdinand. Sie werden mir zum Räthsel, mein Vater. Distinction nennen Sie es—Distinction, da mit dem Fürsten zu theilen, wo er auch unter den Menschen hinunterkriecht?
Präsident (schlägt ein Gelächter auf).
Ferdinand. Sie können lachen—und ich will über das hinweggehen,
Vater. Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten
Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen
Körper zum Mitgift bekommt? Mit welchem Gesicht vor die Welt? Vor
den Fürsten? Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den
Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen würde?
Präsident. Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?
Ferdinand. Ich beschwöre Sie bei Himmel und Erde! Vater, Sie können durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so glücklich nicht werden, als Sie ihn unglücklich machen. Ich gebe Ihnen mein Leben, wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu opfern. —Meine Ehre, Vater—wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein leichtfertiges Schelmenstück, mir das Leben zu geben, und ich muß den Vater wie den Kuppler verfluchen.
Präsident (freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft). Brav, lieber Sohn. Jetzt seh' ich, daß du ein ganzer Kerl bist und der besten Frau im Herzogthum würdig. Sie soll dir werden—noch diesen Mittag wirst du dich mit der Gräfin von Ostheim verloben.
Ferdinand (aufs Neue betreten). Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz zu zerschmettern?
Präsident (einen lauernden Blick auf ihn werfend). Wo doch hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird?
Ferdinand. Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim könnte jeden
Andern zum Glücklichsten machen. (Vor sich in höchster Verwirrung.)
Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine
Güte.
Präsident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (stürzt auf ihn zu und küßt ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze Empfindung—Vater! meinen heißesten Dank für Ihre herzliche Meinung—Ihre Wahl ist untadelhaft—aber—ich kann—ich darf—bedauern Sie mich—ich kann die Gräfin nicht lieben!
Präsident (tritt einen Schritt zurück). Holla! Jetzt hab' ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler—Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady verbot?—Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du verabscheutest?-Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann fährt er auf und will fortrennen).
Präsident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist? (Der Major kehrt zurück.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der Fürst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig.—Wenn du mich zum Lügner machst, Junge—vor dem Fürsten—der Lady—der Stadt—dem Hof mich zum Lügner machst—Höre, Junge—oder wenn ich hinter gewisse Historien komme?—Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?
Ferdinand (schneeblaß und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiß nichts, mein Vater!
Präsident (einen fürchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es was ist—und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese Widersetzlichkeit stammt—Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade fängt an! Du wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist—Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogthum. Laß doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.) Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! (Er geht ab.)
Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betäubung). Ist er weg? War das eines Vaters Stimme?—Ja! ich will zu ihr—will hin—will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten—Nichtswürdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst—Im Angesicht des versammelten Adels, des Militärs und des Volks—Umgürte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands—Ich
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