Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
Bestie ist, ein chromosomen-geschädigtes Tier, ein testosteron-triefendes Ungetüm. So etwas liebt man nicht, so etwas untersucht man!
Man fragt sich in solchen Situation, in denen man am Boden ist (im wahrsten Sinne des Wortes) und heult, ob je Liebe da gewesen ist. Hätte der Arzt mich je geliebt, würde ich nicht hier, zw ischen seinen Autos, heulend nach Hilfe suchen.
Nach einer gewissen Zeit …
Ich versuche an nichts zu denken, es gelingt, es gelingt nicht. Zwischen den Autos fühle ich mich wohl; ich berühre seinen schwarzen Ford.
Es graut wieder – von neuem –, die Nacht möchte mich wieder verlassen, mich zurücklassen. Diese Abweisung, die ich in der Vergangenheit durchlebte, ist in der Gegenwart nicht zu begreifen. Langsam erhebe ich mich wieder, berühre das Haus, ganz sachte und weiß, dass ich die Geschichte nicht zu meinem Lebensinhalt werden lassen darf. Jeder Gedanke darf nur einmal gedacht werden, jedes Leid nur einmal durchlitten.
„Du bist mehr als die ganze Scheiße“, sage ich zu mir. So denkt ein Entscheider. Und der plöt zliche Gedanke mehr wert zu sein, hilft mir, hilft mir den ersten Schritt nachhause zu laufen. „Abstand halten“, das muss ich lernen, ganz eindeutig. „Lauf, lauf“, sage ich zu mir und ich laufe wieder, entferne mich von dem Haus und all den Erinnerungen, und all den schönen wie den schrecklichen Sachen.
Ich hatte im Herbst 2009 mit einer Umschulung begonnen, die Fachhochschule für wirtschaftlichen Kleinnutz und Verblödung. Ich war – korrekt ausgedrückt – arbeitslos. Die Erinnerung, die ich habe, ist die von unserem gemeinsamen Urlaub in Wien, ein Zwei-Tages-Ausflug mit fatalen Folgen. Während der Autofahrt zeigte ich ihm, welche Art von Musikgeschmack ich hatte: Kesha, Silbermond, MGMT. An diesem Tag wurde Krieger des Lichts von Silbermond zu unserem gemeinsamen Lied. Der Song hatte eine Geschichte: Der Arzt und ich hatten zusammen den Film Friendship! (mit Matthias Schweighöfer, Friedrich Mücke uva.) angesehen und er gefiel uns beiden sehr gut. „Einer der besten deutschen Filme, die wir je gesehen hatten“, war unser Resümee. Und das Titellied war Krieger des Lichts von Silbermond, ein wundervoller Song, der sehr viel Wahrheit in sich birgt. Das Hotel, die Musik, das Essen, das Ficken, das Museum, alles war einfach wunderbar, wir betrachteten uns als die Krieger des Lichts und entdeckten sogar, dass wir eine gemeinsame Lieblingsschauspielerin hatten, nämlich Scarlett Johansson. Wir erlebten uns, waren im Wiener Prater und ich durfte mir aussuchen, was ich wollte; hatte ich schon erwähnt, dass wir uns den Verstand aus dem Kopf vögelten? Und bei soviel Geficke kam es schon mal zu Pannen. Zum Beispiel verunreinigte ich das Laken, Fäkalienspiele war etwas, auf das wir nicht standen.
Der einzige Wermutstropfen an diesem Wochenende war der, dass der Arzt am Abend noch ins Internet ging, um seinem neuen Fickkollegen Fingerhut zu schreiben, dass er ihn ficken wollte. Dieser eine besondere Fickkollege aus dem Internet mit Namen Fingerhut war – na wer wohl? – ich!
Getroffen hatte er diesen Bauchmuskeltyp der Model-Marke Giorgio Armani nie. Er stand (wie der Herr Biologe) vor der Haustür von Helgundis Braunschweig, die ihm ordentlich die Meinung gei gte. Frau Braunschweig hatte schon einige Male Besuch von Männern gehabt; sie fühlte sich von ihnen langsam belästigt.
(Darüber lacht das Opfer. Jedoch muss ich zum Entscheider werden.)
Zuhause in Graz angekommen, ließ er mich vor meiner Wohnungstür aussteigen. Wir küssten uns flüchtig, denn wir waren in der Öffentlichkeit (im Hinterhof meines Wohnblocks) und die deutschen Stasispitzel oder die österreichischen Lokustaucher könnten ja hinter seinem Auto hervorspringen und uns wegen der Liebe einsperren. Der Arzt hatte schreckliche Angst, um seinen ach so guten Ruf. Ich bin mir sicher, dass niemand auf der Welt je den Gedanken fassen könnte, dass dieser Mann schwul sei. Durch Rastplatzbesuche, Internet-Fick-Abende mit Web-Cams, Fickbeziehungen zu Klienten, massenhaft offenen Beziehungen mit gestörten Partnern (von Graz bis Wien), Besuche auf Schwulenhochzeiten und Tuntenbällen und ganz allgemeinen Ficktreffen im Haus der Ehefrau machen doch nicht aufmerksam auf einen homosexuellen Arzt!
Er ließ mich also aussteigen, ein flüchtiges „Ciao“ presste er über seine Lippen und fuhr nac hhause, eine Straße weiter zu seinem Freund, mit dem er die offene Beziehung
Weitere Kostenlose Bücher