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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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verbanden, entlang der Gleise verlegt waren, konnte ich mir ausmalen, auf welchem Weg meine E-Mail nach Kalifornien gelangt war: Entweder war sie dahin zurückgeflitzt, wo ich hergekommen war, nach New York, ehe sie Kurs auf die Westküste genommen hatte, oder sie war Richtung Westen geschickt worden, nach Ashburn, wo es eine besonders wichtige Internetkreuzung gab. Die genaue Route jener E-Mail spielte keine Rolle – das Entscheidende war, dass das Internet mir nicht mehr als endlose Weite erschien. Die unsichtbare Welt nahm allmählich Formen an.
    Von den biederen Lobbyisten und holzgetäfelten Anwaltskanzleien in der Nachbarschaft heben sich die Geschäftsräume von TeleGeography in der K Street durch lindgrüne Wände, unverkleidete Decken und milchgläserne Trennwände zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen ab. Die Eingangstür dreht sich kreativerweise um ihre eigene Achse. An den Wänden hingen selbstverständlich Karten. Eine Karte von Spanien zierte ein Groucho-Marx-Schnurrbart, ein Relikt einer Party zum Jahreswechsel. Krisetya nahm mich mit in sein Büro, auf seinem Schreibtisch stapelten sich die Bücher über Informationsdesign. Als er 1999 bei TeleGeography anfing, arbeitete er sofort am ersten großen Bericht der Firma mit, Hubs + Spokes: A TeleGeography Internet Reader . Der Bericht war eine Sensation. Vorher gab es geographische Karten der von bestimmten Firmen oder Behörden betriebenen Netzwerke, und es gab »logische« Diagramme des gesamten Internets, die U-Bahn-Plänen ähnelten. Weder die einen noch die anderen vermittelten jedoch einen echten Eindruck davon, inwiefern das Internet sich der Geographie realer Städte und Staaten anpasste beziehungsweise davon abwich. Welche Orte waren besonders gut vernetzt? Wo waren die Drehkreuze?
    Krisetya begann mit neuen Methoden zu experimentieren, um die geopolitische und die virtuelle Welt unter einen Hut zu bringen. Er kombinierte die Umrisse von Kontinenten mit Diagrammen von Netzwerken, immer bemüht, »etwas Abstraktes auf etwas Vertrautes zu übertragen, um ihm so neue Bedeutung zu verleihen«. Andere Kartographen rangen seit langem mit denselben Problemen, etwa beim Erstellen von U-Bahn-Plänen oder Streckennetzkarten für Fluggesellschaften. In beiden Fällen waren die Ziele wichtiger als der Weg. Hier wie dort galt es, einen Kompromiss zwischen der inneren Funktionsweise des Systems und der Außenwelt zu finden. Ein Glanzpunkt des Genres bildet sicherlich die Karte des Londoner U-Bahn-Netzes: eine geographische Fiktion, die sich die reale Welt so zurechtbiegt, dass eine Art alternative Stadtgeographie entstanden ist, nicht weniger real als die echte.
    Auf den Karten Krisetyas geschah Ähnliches, wenn er die Linien für die meistgenutzten Routen zwischen Großstädten, etwa zwischen New York und London, am dicksten einzeichnete – nicht weil dort unbedingt mehr Kabel verliefen (oder ein einzelnes, superdickes), sondern weil auf solchen Strecken der Datenstrom am stärksten war. Diese Erkenntnis geht auf jenen ersten Bericht zurück. »Wenn man das Internet genauer unter die Lupe nimmt«, heißt es dort, »so erkennt man immer deutlicher, dass es sowohl auf der operativen (Netzwerk-) als auch auf der physischen (geopolitischen) Ebene eine ziemlich ausgeprägte Naben- und Speichenstruktur gibt.« Der Aufbau des Internets beruhe im Kern auf einer »netzartigen Verbindung zwischen den Weltstädten der verschiedenen Kontinente – dem Silicon Valley, New York und Washington; London, Paris, Amsterdam und Frankfurt; Tokio und Seoul.« Und so ist es noch heute.
    Die aktuelle Version dieses Berichts mit dem Titel Global Internet Geography ist die Bibel aller großen Telekommunikationsunternehmen. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht nach wie vor der konzentrierte Internettraffic zwischen wichtigen Städten. TeleGeography destilliert aus nebulösen Datenwolken einen übersichtlichen Schaltplan heraus, der die Kommunikation zwischen einzelnen Punkten und Segmenten abbildet. So wenig greifbar das Internet scheinen mag, seine Geographie spiegelt die des Globus wider. Es hält sich an die Grenzen von Staaten und Kontinenten. »Das ist der Kern unseres Ansatzes«, erklärte mir Krisetya in seinem Büro, und ich kam mir vor wie ein Student im Tutorium. »Wir legen den Schwerpunkt viel mehr auf die realen geographischen Bedingungen als auf die Verbindungen dazwischen. Am Anfang war es einfach das, womit wir vertraut waren. Als das Internet noch etwas sehr

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