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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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große Gruppe Birken und sah ihrem Atem zu, wie er kam und ging.
    »Das ist ein Traum«, sagte sie laut zu sich selbst. Nichts begrenzte ihren Blick. Ein paar verirrte Sonnenstrahlen brachen sich im nassen Gras. Wunderschön. Zu schön beinahe. Ganz weit weg erahnte Katinka die nächste Hügelkette, schwach rauchblau im Morgendunst. Kein Haus. Kein Auto. Kein Mensch. Sie blies sich den Pony aus dem Gesicht. Nun verstand sie, was Dani bewogen hatte, gerade dieses Haus zu kaufen. Wäre ich Künstlerin, ich würde hier an diesem Ort wahrscheinlich doppelt so viel erschaffen wie anderswo, dachte sie.
    Sie wartete bis halb neun. Dann schlenderte sie langsam durch den Garten zurück zum Haus. Eine Regentonne am Eck lief beinahe über. Sie kam zur Haustür.
    Der Schreck fuhr ihr so heftig in die Glieder, dass sie zurückprallte und rückwärts über einen großen weißen Stein fiel. Sie landete unsanft auf dem Steißbein. Bemerkte den Schmerz kaum und kämpfte sich hoch. In ihrem Kopf turnten die Gedanken. Wieder einer, war der deutlichste von ihnen. Ihr Atem, eben noch weit wie der Blick zum Horizont, kam nun hart, wie geknebelt.
    Vor Danis Haustür stand ein VW-Käfer, ein New- Beetle-Modell, spielzeuggroß, strahlend gelb, durchstoßen von einem Schraubenzieher.
    Alles Blut sackte in Katinkas Füße. Sie rang nach Luft, drückte unwillkürlich die Hand auf ihr hämmerndes Herz.
    »Dani!«, brüllte Katinka. Es musste nichts bedeuten. Dani konnte friedlich im Haus schlafen. Irgendein Verrückter hatte den Käfer hier abgelegt. Oder Dani selbst. Ein neues Projekt.
    »Dani!« Katinka schrie, bis sie heiser war. Schlagartig kam ihr in den Sinn, dass sie niemanden würde fragen können. Hier gab es keine Zeugen, die das Leben ihrer Nachbarn kontrollierten. Das war die Kehrseite des Garten Eden. Katinka bullerte an die Tür, klopfte an alle Fenster. Brüllte Danis Namen.
    Keine Reaktion. Nur der Gesang der Amseln tönte ihr plötzlich laut in den Ohren, als habe jemand eine Stereoanlage aufgedreht. Sie merkte, dass sie zu keuchen begann. Hektisch, hart, schmerzhaft.
    Du musst dich beruhigen, sagte sie sich. Du hyperventilierst gleich. Sie hielt sich an der Regentonne fest. Tunkte die Arme in das dunkle eisige Wasser. Zwang sich, ihren Atem zu beobachten. Anders als eben. Kontrollierend, vernunftgesteuert. Dann besann sie sich auf ihren Beruf und die Standardausrüstung, die sie in ihrem Rucksack mit sich führte. Sie rannte zum Auto zurück, durchwühlte den Rucksack und förderte ihren Dietrich zutage.
    Vorsichtig umschiffte sie den gelben Beetle und begann, mit dem Dietrich zu arbeiten. Eine halbe Minute später gab sie auf. Sie hatte es gleich beim ersten Versuch gemerkt: Das war ein spezielles Sicherheitsschloss. Mit ihrem simplen Helfershelfer konnte sie gar nichts ausrichten.
    Wozu braucht Dani so ein Schloss, fragte sich Katinka.
    Sie lehnte sich mit der Stirn gegen die Tür und schrie ein letztes Mal.
    »Dani!«
    Katinka lief zum Fenster rechts neben der Tür. Sie klopfte probeweise dagegen. Hob den großen Stein auf, über den sie eben gestolpert war, und schlug zu.
    Nichts.
    Panzerglas.
    Katinka versuchte es nochmal. Der Stein prallte zurück, bog schmerzhaft ihren Daumen um und landete auf dem Boden.
    Sie versuchte es an allen Fenstern. Keine Chance.
    Dani hat ein Spezialschloss und Panzerglasfenser an ihrem Sommerhaus. Katinka zwang sich zu klaren Gedanken. Warum? Schützt sie ihre Skulpturen? Sind die Plastiken einer Bildhauerin, die von ihrer Kunst leben kann, aber nicht gerade weltberühmt ist, so wertvoll? Wurde sie schon einmal beraubt? Bekam sie Drohungen? Oder ist sie gar selbst gefährdet – sie als Person?
    Katinka umkreiste das Haus wie ein blutrünstiger Hai.
    Dani war nicht da. Dies wäre der glücklichste Fall. Sie war nicht da. Vielleicht hatte sie den gestrigen Abend in Bamberg verbracht, zuviel getrunken und ein Hotelzimmer genommen. Oder sie schlief mit Ohropax. Oder … es gab eine Fülle anderer Möglichkeiten, und Katinka ignorierte sie. Sie musste ins Haus. Und dazu sah sie nur eine Chance. Genaugenommen zwei, aber eine von beiden stand momentan nicht zur Debatte. Sie griff sich ihr Handy.
    Seit ihrem ersten Fall als selbständige Detektivin hatte sie einen kleinen, feinen Draht zu einem Bamberger Schlüsseldienst. Der Inhaber, Sigmund Heppner, stand in ihrer Pflicht, seit er vor einem Jahr einer Frau, mit der er eine Affäre gehabt hatte, zu einigen Einbrüchen verholfen hatte. Katinka war

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