Käfersterben
ihm auf die Schliche gekommen. Seitdem galt eine milde Form der Erpressung: Sie würde Heppners Beihilfe zum Einbruch nicht der Polizei melden, wenn er ihr im Bedarfsfall mit seiner Expertise zur Verfügung stand.
Sie lobte sich selbst, dass ihr Handy-Adressbuch stets auf dem aktuellen Stand war, und wählte die Nummer. Eine Frau meldete sich.
»Heppner?«
»Palfy, private Ermittlungen. Herrn Heppner, bitte.«
»Wer ist da?«, fragte die Frau gedehnt.
Sie ist es gewöhnt, dass ihr Mann fremdgeht, dachte Katinka. Argwohn pur.
»Katinka Palfy. Detektivin. Es ist dringend.«
»Mein Mann ist noch zu Hause«, sagte Frau Heppner. Der argwöhnische Unterton war nicht zu missdeuten.
»Danke.« Sie tat Katinka leid, aber dies war nicht die Stunde für weibliche Solidarität. Sie wählte Heppners Privatnummer. Es dauerte, bis er antwortete.
»Heppner?«
»Palfy.«
Er schwieg einen Moment.
»Es ist also soweit«, sagte er resigniert.
»Genau. Ich beschreibe Ihnen den Weg. Sie brauchen von Bamberg aus eine Dreiviertelstunde. Fahren Sie sofort los. Es ist wichtig.«
Sie sah auf die Uhr, als sie auflegte. Neun Minuten nach neun. Bis zehn musste er hier sein.
Während sie wartete, musterte sie den durchbohrten Beetle. Sie hatte ihn bisher kaum beachtet, in Panik versucht, ins Haus zu kommen. Aber nun überschlugen sich die Gedanken, und eine diffuse Angst machte sich in Katinka breit.
Das war kein Zufall. Durchbohrte, lebensgroße Cabrios in Bamberg und nun ein Spielzeugauto, dem ein Schraubenzieher den Garaus gemacht hatte. Derselbe Täter? Ein Trittbrettfahrer? Ein Spinner? Sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie wusste genau, dass sie die Polizei anrufen sollte. Doch andererseits – würde man das ernstnehmen? Sie hatte keine Ahnung, welche Beachtung die Käfermorde bisher gefunden hatten. Ob bei den Ermittlungen schon irgendwas Brauchbares aufgetaucht war. Katinka spürte ihr Herz hämmern. Sie hoffte um alles in der Welt, dass Dani nicht im Haus war. Nicht tot im Haus war.
Heppners Wagen holperte zehn Minuten vor zehn über den Kies.
»Sind Sie geflogen?«, fragte Katinka, als er ausstieg. Sie verstand sofort, warum die Frauen auf ihn flogen. Er war ein smarter Typ, schlank und sportlich, von einem Hauch Eleganz umschwirrt, trug italienische Schuhe, schwarze, enge Jeans und ein perfekt sitzendes Markenhemd. Sein Outfit roch förmlich nach der Via Condotti in Rom. Allerdings sind Klamotten nichts, was Katinka Palfy beeindruckten könnte, dachte Ka-tinka grimmig. Und seine Haare sind auch einen Tick zu lang.
»Frau Palfy, ich mache das einmal und nie wieder, das kann ich Ihnen sagen. Meine Frau braucht mich im Geschäft und …«
Katinka zückte ihr Handy.
»Ich kann sofort die Polizei anrufen«, sagte sie. »Wenn Sie das bevorzugen würden.«
»Sie können mich doch nicht mein Leben lang erpressen!«, wehrte sich Heppner. Schweiß perlte über seine Stirn. Die langen Koteletten glänzten vor Nässe. Seine Locken wurden dunkler.
Katinka ging ihm voraus.
»Das ist ein Notfall«, sagte sie. »Vorsicht, das Auto nicht berühren.«
Heppner starrte entgeistert auf den gelben Käfer.
»Sagen Sie mal …«
»Vorsicht!«, wiederholte Katinka. »Da muss noch die Spurensicherung her.«
Heppner wandte sich der Tür zu.
»Ein Spezialschloss?«
Katinka nickte.
»Das … kann ich nicht öffnen.«
»Doch«, sagte Katinka. »Können Sie.«
»Solche Schlösser kriegt man nur mit Schlüsseln auf, die von den Herstellern und sonst niemandem gefertigt werden.«
Katinka sah durch Heppner hindurch und spielte mit ihrem Handy.
»Na gut, lassen Sie mich mal sehen, was das für ein Fabrikat ist.« Er murrte eine Weile herum, bevor er zum Wagen zurückging. Wenige Minuten später sprang die Tür auf.
»Die Firmen drehen den Leuten auch immer mehr Murks an«, murmelte er.
Katinka zog ihre Beretta.
»Bleiben Sie weg«, sagte sie.
Einige unschöne Vorkommnisse im vergangenen halben Jahr hatten sie dazu gebracht, die Waffe immer mit sich zu führen. Ursprünglich wollte sie das nicht. Sie war im Grunde überzeugt, dass eine Detektivin mehr mit dem Kopf als mit dem Schießeisen arbeiten musste. Nun war sie dankbar, als sie das kalte Metall spürte und der typische Geruch ihre Nase kitzelte. Das kurze Klick , als sie die Pistole lud, gab das Startsignal.
Sie schob die Tür auf.
»Hallo? Dani?«
Sie rief sich Danis Häuserbeschreibung ins Gedächtnis. Zwei Wohnräume, Küche, Bad, ein großes Atelier. Ihr Herz schlug
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