Kaeltezone
an den Mann erinnern, der diese landwirtschaftlichen Maschinen verkaufte? Er besaß einen schwarzen Ford Falcon. Und war auf einmal wie vom Erdboden verschluckt.«
»Meinst du das Auto vor dem Busbahnhof?«
»Ja.«
»Der hatte wirklich eine nette Frau, dieser Typ. Was wohl aus ihr geworden ist?«
»Sie ist immer noch nicht darüber hinweg«, sagte Erlendur. »Da fehlte eine Radkappe am Auto. Erinnerst du dich daran?«
»Wir sind damals davon ausgegangen, dass sie vor dem Busbahnhof geklaut worden ist. Der Fall gab nichts her, was auf ein Verbrechen hindeutete, vielleicht mit Ausnahme der gestohlenen Radkappe. Falls sie denn gestohlen wurde. Genauso gut konnte er ja auch an eine Bordsteinkante gekommen sein und dabei die Radkappe verloren haben. Sie ist zumindest nie gefunden worden. Genauso wenig wie ihr Besitzer.«
»Warum hätte er sich umbringen sollen?«, fragte Erlendur. »Es lief doch alles prima bei ihm. Er hatte eine hübsche Frau. Die Zukunft lag vor ihnen. Und er hatte sich einen Ford Falcon angeschafft.«
»Du weißt, dass all das überhaupt keine Rolle spielt, wenn Leute sich mit Selbstmordgedanken tragen«, sagte Níels. »Glaubst du, dass er sich eine Busfahrkarte gekauft hat?« »Wir fanden das wahrscheinlich, wenn ich mich richtig erinnere. Wir haben uns mit den Busfahrern unterhalten, aber keiner konnte sich an ihn erinnern. Das muss aber nicht besagen, dass er Reykjavík nicht doch mit dem Bus verlassen hat.«
»Aber du glaubst, dass er sich umgebracht hat.«
»Ja«, sagte Níels. »Aber …«
Níels zögerte auf einmal.
»Was?«, fragte Erlendur.
»Dieser Mann hat irgendein Spiel gespielt«, erklärte Níels. »Was meinst du damit?«
»Sie sagte, er hätte Leopold geheißen, aber weder in unseren Archiven noch im Volksregister haben wir jemanden in dem Alter, das sie angegeben hatte, mit diesem Namen gefunden. Keine Geburtsurkunde. Keinen Führerschein. Es gab keinen Leopold, der als dieser Mann zu identifizieren war.«
»Was willst du damit sagen?«
»Entweder sind alle Eintragungen über ihn im System verloren gegangen, oder …«
»Oder er hat diese Frau angelogen?«
»Zumindest kann er nicht Leopold geheißen haben«, sagte Níels.
»Was hat sie dazu gesagt? Was hat die Frau gesagt, als ihr sie danach gefragt habt?«
»Wir hatten das Gefühl, dass er ein falsches Spiel spielte«, sagte Níels nach einer Weile. »Wir haben sie bemitleidet. Sie hatte noch nicht einmal ein Foto von ihm. Daraus kann man wohl nur schließen, dass sie nichts über diesen Mann wusste.«
»Und?«
»Wir haben ihr nichts davon gesagt.«
»Ihr habt ihr nichts wovon gesagt?«
»Dass wir ihren Leopold nirgendwo ausfindig machen konnten«, sagte Níels. »Wir fanden, dass alles sonnenklar war. Er hat sie belogen und ist dann abgehauen.«
Erlendur saß stumm da, während ihm so langsam dämmerte, was Níels ihm eröffnet hatte.
»Weil wir sie schonen wollten«, sagte Níels.
»Und sie weiß es immer noch nicht?«
»Ich glaube nicht.«
»Warum hast du das vor ihr geheim gehalten?«
»Wahrscheinlich aus lauter Menschenfreundlichkeit.«
»Sie wartet immer noch auf ihn«, sagte Erlendur. »Sie wollten heiraten.«
»Das hat er ihr weisgemacht, bevor er abgehauen ist.«
»Und was ist, wenn er ermordet wurde?«
»Wir hielten das für äußerst unwahrscheinlich. Solche Fälle von Betrug kommen zwar selten vor, sind aber durchaus kein unbekanntes Phänomen. Männer lügen Frauen irgendwas vor, das bringt ihnen … wie sollen wir es ausdrücken, gewisse Annehmlichkeiten, und dann hauen sie ab. Ich glaube, dass sie es im Innersten auch gewusst hat. Wir brauchten ihr das nicht zu sagen.«
»Aber das Auto?«
»Es war auf den Namen der Frau angemeldet. Das Darlehen lief auch auf ihren Namen. Das Auto gehörte ihr.«
»Ihr hättet es ihr sagen müssen.«
»Vielleicht. Aber was hätte es ihr gebracht, wenn sie die Wahrheit erfahren hätte, nämlich, dass der Mann, den sie liebte, ein Betrüger war, jemand, der sie zum Narren gehalten hat? Er hat ihr nie etwas über seine Familie erzählt. Sie wusste gar nichts über diesen Mann. Er hatte keine Freunde. Er war dauernd als Vertreter unterwegs. Was schließt du daraus?«
»Sie wusste, dass sie ihn liebte«, sagte Erlendur.
»Und das war der Dank.«
»Was hat dieser Bauer ausgesagt, mit dem er verabredet war?«
»Das steht in den Protokollen«, sagte Níels und nickte Elínborg lächelnd zu, die in ein Gespräch mit dem Verleger vertieft war. Elínborg
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