Kaeltezone
Linien des Falcons, der sich im Besitz des Mannes befunden hatte, der vor dem Busbahnhof verschwunden war. Er kniete beim Vorderrad nieder und sah im Geiste die Radkappe vor sich, die fehlte, als das Auto gefunden wurde, und er überlegte, was aus ihr geworden war.
Das Handy in seiner Tasche klingelte. Es gab neue Details über das russische Gerät im See. Der Chef der Spurensicherung teilte ihm ohne große Umschweife mit, dass das Gerät nicht funktionstüchtig gewesen sei, als es im See versenkt wurde.
»Tatsächlich?«, sagte Erlendur.
»Ja. Das Gerät war mit Sicherheit kaputt, bevor es im See versank. Der Sand auf dem Seeboden ist weich, aber das Gerät ist von innen so beschädigt, dass die Tatsache, dass es so lange im Wasser gelegen hat, nicht ausreicht, um das zu erklären. Es war kaputt, bevor es ins Wasser geworfen wurde.«
»Und was sagt uns das?«, fragte Erlendur.
»Keine Ahnung.«
Dreizehn
Das Ehepaar kam den Bürgersteig entlangspaziert, der Mann ein wenig voraus und die Frau ein paar Schritte hinter ihm. Es war ein schöner Frühlingsabend. Sonnenstrahlen glitzerten auf der Meeresoberfläche, und in der Ferne gingen Regenschauer nieder. Es hatte diesmal jedoch nicht den Anschein, als ob das Paar den schönen Abend genießen würde. Sie schritten weit aus, und dem Mann schien etwas auf dem Herzen zu liegen, denn er redete ununterbrochen. Die Frau ging schweigend hinter ihm her und versuchte, mit ihm Schritt zu halten.
Er beobachtete die beiden, während sie vor seinem Fenster vorbeigingen, schaute in die Abendsonne hinaus und dachte an die Zeiten zurück, als er jung war und seine einfache Welt im Begriff war, so unendlich kompliziert zu werden, dass er die Kontrolle darüber verlieren sollte. Als die Katastophe ihren Lauf nahm.
Sein erstes Studienjahr an der Universität beendete er mit glänzenden Noten und fuhr in den Semesterferien nach Hause. Er arbeitete den Sommer über für das Parteiorgan und schrieb Artikel über den Wiederaufbau in Leipzig. Auf Versammlungen sprach er über seinen Studienaufenthalt und ging auf die historisch gewachsenen und traditionellen Verbindungen zwischen Island und Leipzig ein. Er unterhielt sich mit einflussreichen Parteimitgliedern. Man hatte Großes mit ihm im Sinn. Er freute sich schon darauf, wieder nach Leipzig zu fahren. Er glaubte fest daran, dass ihm eine Aufgabe zugedacht war, vielleicht eine größere als den anderen. Es hieß, dass er eine große Zukunft vor sich habe.
Im Herbst fuhr er wieder mit dem Schiff nach Deutschland. Sein zweites Weihnachtsfest im Wohnheim näherte sich. Die Isländer freuten sich, weil einige von ihnen Pakete von zu Hause geschickt bekommen hatten, sie enthielten traditionelles isländisches Weihnachtsessen wie geräuchertes Lammfleisch, außerdem Salzfisch und Trockenfisch und Süßigkeiten, in manchen Fällen sogar Bücher. Karls Paket war bereits eingetroffen, und der Geruch von geräuchertem Lammfleisch durchzog das ganze Haus, als er eine überdimensional große Keule aus Nordisland zubereitete, wo sein Onkel einen Bauernhof hatte. In dem Paket befand sich auch eine Flasche mit isländischem Brennivín, die Emíl sicherstellte.
Außer Rut konnte es sich niemand leisten, zu Weihnachten nach Hause zu fahren. Sie war auch die Einzige von ihnen, die wirklich an Heimweh litt, nachdem sie aus den Semesterferien zurückgekehrt war. Als sie jetzt zu Weihnachten wieder nach Island fuhr, wurde gemunkelt, dass sie womöglich nicht mehr zurückkommen würde. In der alten Villa war es stiller geworden, denn die deutschen Studenten waren fast alle nach Hause gefahren und auch einige aus den Nachbarländern, die billig mit dem Zug reisen konnten.
Deswegen war die Gruppe, die sich in der Küche um die geräucherte Lammkeule scharte, nicht sehr groß. Emíl hatte die Flasche Brennivín mitten auf den Tisch gestellt, auf den Ehrenplatz, wie er sich ausdrückte. Zwei Schweden im Wohnheim hatten Kartoffeln beigesteuert, andere den Rotkohl, und Karl war es gelungen, eine ziemlich gute Mehlschwitze zum Fleisch und zu den Kartoffeln zu fabrizieren. Als Lothar Weiser, der Betreuer, der sich besonders mit den Isländern angefreundet hatte, die Nase zur Tür hereinsteckte, wurde er zum Festessen eingeladen. Sie mochten Lothar gern, er war gesprächig und konnte sehr amüsant sein. Er schien sich sehr für Politik zu interessieren und versuchte manchmal, aus ihnen herauszulocken, was sie über die Universität, über Leipzig, über die
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