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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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weißt du tatsächlich über diesen Mann?«, wiederholte Erlendur nach einer Weile.
    Ihre Blicke gaben ihm zu verstehen, dass sie ihm am liebsten gesagt hätte, er solle damit aufhören und gehen.
    »Meinst du im Ernst, dass er in Wirklichkeit anders hieß und sich diesen Namen nur zugelegt hat?«, fragte sie.
    »Nichts von dem, was ich sage, muss so gewesen sein«, betonte Erlendur. »Leider ist es am wahrscheinlichsten, dass er sich aus irgendwelchen Gründen umgebracht hat.«
    »Was weiß man schon über die Menschen?«, sagte sie auf einmal. »Er war verschlossen und sprach fast nie über sich selbst. Andere Männer sind sehr von sich selber eingenommen, ich weiß nicht, ob das besser ist. Er hat mir wunderschöne Dinge gesagt, die mir nie zuvor jemand gesagt hat. Ich bin nicht in einer Familie aufgewachsen, wo man sich nette Dinge sagte.«
    »Du hast danach nicht noch einmal den Versuch gemacht, einen anderen Mann zu finden. Zu heiraten. Eine Familie zu haben.«
    »Ich war schon über dreißig, als wir uns kennen lernten. Ich war damals davon ausgegangen, dass ich eine alte Jungfer werden würde. Dass es zu spät für mich sei. Das hatte ich zwar nicht so geplant, aber irgendwie ist es einfach so gelaufen. Dann kommt man in ein gewisses Alter und hat nichts außer sich selbst und einer leeren Wohnung. Deswegen war er … er hat das geändert. Auch wenn er verschlossen war und häufig nicht daheim, er war trotzdem mein Mann.«
    Sie blickte Erlendur an.
    »Wir waren zusammen, und nachdem er verschwunden war, wartete ich einige Jahre, und wahrscheinlich warte ich immer noch. Wann hört man damit auf? Gibt es da eine Regel?«
    »Nein«, sagte Erlendur. »Es gibt keine Regel.«
    »Der Meinung war ich auch«, sagte sie, und er empfand tiefes Mitleid mit ihr, als er sah, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.

Neunzehn
    Eines Tages kam ein Bescheid von der amerikanischen Botschaft in Reykjavík und landete auf Sigurður Ólis Schreibtisch. Die Botschaft teilte mit, dass sie über Informationen verfüge, die möglicherweise der Kriminalpolizei im Zusammenhang mit dem Knochenfund im Kleifarvatn weiterhelfen könnten. Er landete buchstäblich auf Sigurður Ólis Schreibtisch, denn einer der Botschaftsfahrer legte den verschlossenen Umschlag mit behandschuhter Hand vor ihn hin und erklärte, dass er den Auftrag hätte, auf eine Antwort zu warten. Ómar, der ehemalige Staatssekretär im Außenministerium, hatte den Kontakt zu Robert Christie in Washington hergestellt, der seine Mithilfe zusagte, als er hörte, um was es ging. Dieser Robert, oder Bob, war Ómars Ausführungen zufolge sehr interessiert, und wahrscheinlich würden sie bald über die amerikanische Botschaft von ihm hören.
    Sigurður Óli musterte den Botschaftsfahrer, der in seiner schwarzen Montur mit der goldverzierten Schirmmütze und den schwarzen Lederhandschuhen ziemlich idiotisch aussah. Sigurður Óli las den Bescheid und nickte. Er erklärte dem Fahrer, er würde sich um zwei Uhr in Begleitung seiner Kollegin Elínborg in der Botschaft einfinden. Der Fahrer lächelte, und Sigurður Óli glaubte, er würde im nächsten Augenblick die Hand zum Salut an die Mütze legen, aber das unterblieb.
    Elínborg begegnete dem Chauffeur in der Tür zu Sigurður Ólis Büro und stieß beinahe mit ihm zusammen. Er bat um Entschuldigung, und sie schaute ihm nach, als er den Korridor entlangmarschierte.
    »Was war denn das?«, fragte sie.
    »Die amerikanische Botschaft«, sagte Sigurður Óli.
    Pünktlich um zwei Uhr trafen sie bei der Botschaft ein. Zwei isländische Sicherheitsbeamte standen vor der Tür und beobachteten argwöhnisch, wie sie sich näherten. Als sie sagten, weswegen sie gekommen waren, öffnete sich die Tür, und sie wurden eingelassen. Zwei weitere Sicherheitsbeamte, diesmal amerikanische, nahmen sie drinnen in Empfang. Elínborg ging davon aus, dass sie jetzt auf Waffen durchsucht würden, doch stattdessen tauchte ein Mann in der Eingangshalle auf und begrüßte sie. Er gab ihnen die Hand, stellte sich als Christopher Melville vor und bat sie, ihm zu folgen. Er äußerte sich anerkennend darüber, dass sie »right on time« seien. Sie sprachen Englisch miteinander.
    Elínborg und Sigurður Óli folgten ihm in den zweiten Stock, und dort gingen sie einen Korridor entlang bis zu einer Tür mit der Aufschrift »Sicherheitsbeauftragter«. Melville öffnete sie, und im Zimmer erwartete sie ein kahl rasierter Mann in Zivil. Er war um die sechzig,

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