Kain
ausdrücken, er begnügte sich damit, jene zu wiederholen, die er gesagt hatte, bis sie nichts mehr bedeuteten und nur noch eine Aneinanderreihung von zusammenhanglosen Lauten waren, ein sinnloses Gestotter. Da wurde ihm bewusst, dass er doch geträumt hatte, keinen richtigen Traum, sondern ein Bild, von ihm selbst, wie er nach Hause kommt und seinen Bruder in der Tür auf ihn wartend vorfindet. So wird er sich sein Leben lang an ihn erinnern, als hätte er mit seiner Tat Frieden geschlossen und würde von keinen Gewissensbissen mehr geplagt.
Er trat aus der Hütte und atmete tief die kalte Luft ein. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch der Himmel leuchtete schon in zarten Farbtönen, hell genug, dass die karge, eintönige Landschaft, die er vor Augen hatte, in diesem ersten Licht des Morgens wie verwandelt aussah, eine Art Garten Eden ohne Verbote. Kain hatte keinerlei Grund, seine Schritte in eine bestimmte Richtung zu lenken, doch instinktiv suchte er die Spuren, die er hinterlassen hatte, bevor er zu der Hütte abgebogen war, in der er die Nacht verbracht hatte. Es war einfach, im Grunde brauchte er nur der Sonne entgegenzugehen, dorthin, wo sie schon bald aufgehen würde. Der Magen, offenbar durch die Stunden Schlaf besänftigt, hatte sein Kneifen gemildert, und es wäre schön, wenn dieser Zustand anhielte, da keinerlei Hoffnung bestand, bald etwas Essbares zu finden, zwar tauchten hier und da ein paar Feigenbäume auf, doch Früchte trugen sie nicht, denn es war nicht ihre Zeit. Mit seiner letzten Kraft, die zu besitzen er nicht mehr geglaubt hatte, machte er sich wieder auf den Weg. Die Sonne erschien, heute gibt es keinen Regen, gut möglich, dass es sogar heiß wird. Nach gar nicht langer Zeit war er abermals erschöpft. Er musste etwas zu essen finden, andernfalls würde er in dieser Wüste an Entkräftung sterben, binnen weniger Tage nur noch ein Gerippe sein, denn dafür würden die Raubvögel oder eine Meute verwilderter Hunde sorgen, die bislang noch nicht in Erscheinung getreten waren. Doch stand geschrieben, dass Kains Leben nicht in dieser Ödnis endete, denn warum sonst hätte der Herr so viel Zeit darauf verwendet, ihn zu verfluchen. Der Hinweis kam von unten, von seinen müden Füßen, die erst nach einer Weile gemerkt hatten, dass sie inzwischen auf anderen Boden traten, frei von Vegetation, ohne Gräser und Disteln, die das Gehen behinderten, kurz, um alles in wenigen Worten zu sagen, Kain hatte, ohne zu wissen, wann oder wie, einen Weg gefunden. Er freute sich, der arme Umherirrende, denn ein bekannter Grundsatz besagt, dass jeder Verkehrsweg, jede Landstraße, jeder Pfad, jede Piste früher oder später, über kurz oder lang, zu einem bewohnten Ort führt, wo sich vielleicht Arbeit finden lässt, ein Dach überm Kopf und ein Kanten Brot, der den Hunger stillt. Von der unerwarteten Entdeckung beflügelt, nahm er, wie man zu sagen pflegt, all seinen Mut zusammen, schöpfte Kraft, wo es schon keine mehr gab, und beschleunigte den Schritt, immer in der Erwartung, ein Haus auftauchen zu sehen und irgendwelche Anzeichen von Leben, einen Mann auf einem Esel oder eine Frau mit einem Wasserkrug auf dem Kopf. Er musste noch weit gehen. Der Alte, der ihm schließlich begegnete, war zu Fuß unterwegs und führte an einem Strick festgebunden zwei Schafe. Kain grüßte ihn mit den herzlichsten Vokabeln seines Wortschatzes, doch der Mann erwiderte sie nicht, Was ist das für ein Zeichen, das du auf der Stirn hast, fragte er. Darauf nicht vorbereitet, fragte Kain zurück, Welches Zeichen, Das da, sagte der Mann und fasste sich an die eigene Stirn, Das ist mir angeboren, antwortete Kain, Du bist vermutlich kein guter Mensch, Wer hat dir das gesagt, woher weißt du das, antwortete Kain unvorsichtigerweise, Wie heißt es in dem alten Sprichwort, der Teufel, der dich gezeichnet, hat einen Makel an dir gefunden, Ich bin nicht besser und nicht schlechter als andere, ich suche Arbeit, sagte Kain, um das Gespräch auf eine ihm genehme Ebene zu bringen, Arbeit gibt es hier genug, was kannst du, fragte der Alte, Ich bin Bauer, Bauern haben wir schon zur Genüge, da wirst du nichts finden, außerdem bist du allein, ohne Familie, Ich habe meine verloren, Wie hast du sie verloren, Ich habe sie einfach verloren, mehr gibt es dazu nicht zu sagen, Wenn das so ist, lasse ich dich hier stehen, mir gefällt dein Gesicht nicht und auch nicht das Zeichen, das du auf der Stirn hast. Er wollte schon gehen, doch Kain hielt
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