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Kain

Kain

Titel: Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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ihn zurück, Geh noch nicht, sag mir wenigstens, wie diese Gegend heißt, Man nennt sie das Land Nod, Und was bedeutet Nod, Das bedeutet Land der Flucht oder Land der Umherirrenden, so sag du mir, da du hier angelangt bist, wovor bist du auf der Flucht und warum irrst du umher, Ich erzähle mein Leben nicht dem Erstbesten, der mir mit zwei Schafen an einem Strick über den Weg läuft, außerdem kenne ich dich nicht, bin dir keine Achtung schuldig und muss dir nicht auf deine Fragen antworten, Wir werden uns wiedersehen, Wer weiß, vielleicht finde ich hier keine Arbeit und muss mir ein anderes Ziel suchen, Wenn du einen Lehmziegel formen und eine Mauer hochziehen kannst, ist dies hier dein Ziel, Wohin muss ich gehen, fragte Kain, Folge dieser Straße geradeaus, am Ende liegt ein Platz, da erhältst du die Antwort, Leb wohl, Alter, Leb wohl, mögest du, so Gott will, keiner werden, Hinter den Worten, die du sprichst, höre ich andere, die du verschweigst, Ja, zum Beispiel das Zeichen da auf deiner Stirn ist dir nicht angeboren, hast es dir auch nicht selbst gemacht, nichts von dem, was du hier sagtest, ist wahr, Mag sein, dass meine Wahrheit für dich Lüge ist, Das mag sein, gewiss, zu zweifeln ist das Vorrecht dessen, der schon lange lebt, vielleicht ist es dir deshalb nicht gelungen, mich zu überzeugen, als Gewissheit hinzunehmen, was mir eher nach Falschheit klingt, Wer bist du, fragte Kain, Vorsicht, junger Mann, wenn du mich fragst, wer ich bin, erkennst du mein Recht an, zu erfahren, wer du bist, Nichts kann mich zwingen, es zu sagen, Du kommst in diese Stadt, du bleibst hier, früher oder später wird man alles erfahren, Nur wenn es sein muss und nicht von mir, Sag mir wenigstens, wie du heißt, Abel ist mein Name, sagte Kain.
    Während der falsche Abel in Richtung des Platzes geht, wo er nach den Worten des Alten seine Bestimmung finden wird, wollen wir auf die durchaus angebrachte Beobachtung gewisser wachsamer Leser, jener immer aufmerksamen Leser eingehen, die zu bedenken geben, dass der Dialog, den wir soeben als tatsächlich stattgefunden verzeichnet haben, weder historisch noch kulturell möglich gewesen wäre, dass ein Bauer mit wenig, ja gar keinem Landbesitz mehr und ein alter Mann, von dem weder Handwerk noch Verdienste bekannt sind, niemals so hätten denken und sprechen können. Recht haben sie, diese Leser, doch geht es hier weniger darum, über Gedanken und den für ihren Ausdruck notwendigen Wortschatz zu verfügen oder nicht zu verfügen, sondern eher um unsere eigene Fähigkeit, sei es lediglich aus rein menschlicher Empathie und intellektueller Großzügigkeit, zuzugestehen, dass ein Bauer vom Anbeginn der Welt und ein alter Mann mit zwei Schafen an einem Strick allein mit ihrem begrenzten Wissen und einer Sprache, die noch in den Kinderschuhen steckt, das Bedürfnis hätten haben können, für sie nicht fassbaren Ahnungen und Eingebungen Ausdruck zu verleihen. Dass sie nicht diese Worte sprachen, ist mehr als offensichtlich, doch die Zweifel, das Misstrauen, das Stutzen, die Schritte vor und zurück in der Argumentation, die waren vorhanden. Wir haben einfach nur das doppelte und für uns unlösbare Rätsel der Sprache und des Denkens jener Zeit in die uns geläufige Sprache übertragen. Wenn das Ergebnis heute schlüssig ist, so wird es dies ebenso damals gewesen sein, denn letztlich sind wir Eseltreiber und ziehen auf der Landstraße dahin. Wir alle, die Kundigen ebenso wie die Unwissenden.
    Da ist der Platz. Dies eine Stadt zu nennen war eigentlich übertrieben. Ein paar Häuser hier und da, nur mit Erdgeschoss, ein paar Kinder, die irgendetwas spielen, ein paar Erwachsene, die sich wie Schlafwandler bewegen, ein paar Esel, die offenbar dahin gehen, wohin sie wollen, und nicht, wohin man sie lenkt, keine Stadt, die auf sich hält, würde sich je in der Szene wiedererkennen, die sich unserem Auge bietet, es fehlen Autos und Busse, Verkehrsschilder, Ampeln, Unterführungen, Werbung auf den Fassaden oder Dächern der Häuser, mit einem Wort, die Moderne, das moderne Leben. Doch gemach, alles wird sich ergeben, der Fortschritt, wie man ihn später erkennen wird, ist unvermeidlich, unausweichlich wie der Tod. Und das Leben. Im Hintergrund sieht man ein Gebäude im Werden, eine Art rustikaler Palast mit zwei Geschossen, nichts, was sich mit Mafra, Versailles oder Buckingham vergleichen ließe, auf dem sich Dutzende von Maurern und Hilfsarbeitern abmühen, die einen schleppen Lehmziegel auf

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