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Kain

Kain

Titel: Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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reiten, kennen ihre Sprache, deshalb kommt es zu so scheinbar unerklärlichen Situationen wie zum Beispiel, dass ein Esel mitten auf dem Weg stehen bleibt und sich, sosehr man auch auf ihn einprügelt, nicht von der Stelle rührt. Dann heißt es, er sei ein störrischer Esel, dabei handelt es sich um ein Kommunikationsproblem, wie es so häufig auch zwischen Menschen entsteht. Der Gedanke, zu Fuß zu gehen, hielt sich also nicht lange in Kains Kopf. Er brauchte einen Esel, und wenn er ihn stehlen musste, doch wir, die wir ihn immer besser kennenlernen, wissen, dass er das nicht tun wird. Kain ist zwar ein Mörder, doch im Übrigen ein durch und durch anständiger Mann, die liederlichen Tage seiner wilden Ehe mit Lilith waren zwar von bürgerlicher Warte aus verwerflich, hätten aber sein angeborenes Moralempfinden nicht zu korrumpieren vermocht, man sehe sich nur seine mutige Auseinandersetzung mit Gott an, auch wenn erwähnt werden muss, dass der Herr dies bis heute nicht wahrgenommen hat, es sei denn, er erinnert sich an ihre Diskussion angesichts der noch warmen Leiche von Abel. Im Verlauf dieses Hin-und-her-Überlegens kam Kain auf die rettende Idee, einen der von ihm versorgten Esel zu kaufen, indem er sich seinen Lohn nur zur Hälfte auszahlen ließ und die andere Hälfte dem Besitzer als Anzahlung gab. Dass die Abzahlung sich lange hinziehen würde, war von Nachteil, doch Kain hatte es nicht eilig, niemand auf der Welt wartete auf ihn, nicht einmal Lilith, mochte ihr Körper sich noch so oft nervös und ungeduldig im Bett wälzen. Der Besitzer der Esel, der kein schlechter Mensch war, machte die Rechnung auf seine Art, und zwar so, dass sie zugunsten von Kain ausfiel, wobei dieser nichts davon ahnte, zumal Mathematik noch nie seine Stärke gewesen war. Es dauerte nicht länger als ein paar Wochen, bis Kain seinen Esel schließlich ganz besaß. Er konnte aufbrechen, wann er wollte. Am Vorabend seiner Abreise beschloss er, sich nach dem Befinden seines früheren Arbeitgebers zu erkundigen, ob seine Schwären inzwischen verheilt waren, doch fand er ihn zu seinem Kummer vor der Haustür auf dem Erdboden sitzend vor, wo er sich die Wunden an den Beinen mit einer Ziegelsteinscherbe auskratzte, genau wie an dem Tag, als der Fluch über ihn kam, denn es war ein Fluch, und zwar einer der schlimmsten, dass Gott ihn dem Satan überlassen hatte. Großes Schiff, großer Sturm, sagt der Volksmund, und Hiobs Geschichte ist dafür der beste Beweis. Diskret, wie es sich ziemt für einen Fremden, trat Kain nicht näher, um ihm gute Besserung zu wünschen, schließlich hatten dieser Dienstherr und dieser Arbeiter sich nie kennengelernt, das ist der Nachteil der Aufteilung in Klassen, ein jeder bleibt auf seinem Platz, möglichst dort, wo er geboren ist, so gibt es keinerlei Möglichkeit, dass Menschen aus den verschiedenen Welten Freundschaft knüpfen. Auf dem Esel reitend, der ihm nun rechtmäßig gehörte, kehrte Kain an seinen Arbeitsplatz zurück, um sich für die Reise zu rüsten. Im Vergleich zu dem Esel, der im Stall von Liliths Palast geblieben war, jenem Prachtstück von Esel, der in Jericho bei dem Hufschmied Begehrlichkeiten geweckt hatte, war das neue Reittier eher eine Art Schindmähre im Ruhestand als für Paraden geeignet. Indes, selbst bei anspruchslosester unabhängiger Beurteilung muss man zugeben, dass der Esel fest auf seinen Beinen steht, auch wenn diese dünn und ein wenig ungelenk sind. Alles in allem, dachte der ehemalige Besitzer, der zum Abschied vor die Tür kam, war Kain nicht allzu schlecht ausgestattet, als er sich am nächsten Tag frühmorgens endgültig auf den Weg machte.

12
     
    K ain brauchte nicht weit zu reiten, da lag die triste Gegenwart des Landes Uz hinter ihm, und er sah sich umgeben von saftig grünen Bergen, üppigen Tälern, in denen Bäche mit dem reinsten, kristallklarsten Wasser plätscherten, das ein menschliches Auge je erblickt und ein Mund je gekostet hatte. Ja, dies hätte der Garten Eden sein können, unvergessen in sehnsüchtigem Gedenken, nachdem nun so viele Jahre vergangen waren und die bösen Erinnerungen mit Hilfe der Zeit mehr oder weniger verblassten. Und doch hatte diese blühende Landschaft etwas Künstliches, etwas Falsches, als handelte es sich um eine absichtlich geschaffene Kulisse, deren Zweck aber unmöglich erraten konnte, wer auf einem einfachen Esel und ohne Guide Michelin dahergeritten kam. Kain bog um einen Felsen, der den Blick auf einen guten Teil des

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