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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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über die Alveolen auch in seine Blutbahn überging, wußte er nicht. Jedenfalls fühlte er nichts dergleichen. Er sah an sich hinab. Irgend etwas hatte sich soeben verändert, und zwar fundamental. Er betrachtete seine Hände, an denen sich jetzt perlenähnliche Blasenketten sammelten. Plötzlich wußte er es.
Meine Hand ... und mein Ohr...
Er tastete danach.
Die Verletzungen. Sie sind...
    [Längst verheilt, Terramensch. Als hätten sie niemals existiert.]
    Eine neue Stimme in seinem Kopf. Mehr als nur eine Stimme. Er sah die ... Frau, der sie gehörte, erst jetzt.
Warum erst jetzt?
Sie schwebte auch in einer Blase. Sie war groß und schlank. Es sah aus, als hätte sie abrasiertes Kopfhaar. Ihre Haut war fast weiß. Es mutete gespenstisch an. Ihre Augen blickten erfahren, weise und hart. Er starrte sie an. Sie nickte ihm zu, den Blick dabei aber von einer Unergründlichkeit gehärtet, die Corey einschüchterte.
    Sie antwortete, ehe er fragen konnte. [Ich bin Galdea, Wächterin Soms. Nach dort reisen wir.]
    Die Erde verlassen? Seltsam, denn er war ganz ruhig. Darauf lief es wohl die ganze Zeit hinaus. Vom Planeten zu fliehen. Er war an Bord eines Raumschiffes. Er dachte an diesen pastoralen Gesang aus Richtung von BAU 17, daran, wie er damals auf dem schmalen Feldbett in der Baracke gelegen und an die Decke gestarrt hatte. Daran, daß...
    (An diesem Tag spürte er etwas Seltsames, Schmerzendes, zugleich Natürliches: eine Ende-von-Allem-Aura. Aber etwas sagte ihm auch, nichts daran wäre falsch.
    Darüber brütete er, solange, bis er eingeschlafen war und von einem blauen Band zwischen den Sternen träumte...)
    So war das. Innerer Aufruhr. [Du meinst...?] Er hatte zu keiner tatsächlich existenten Person gesprochen, aber zu dieser Kraft, die seit einer bestimmten Zeit oder immer schon sein Schicksal beherrschte, und sah sich hektisch um. Das gleiche blaue Leuchten, wie in seinem Traum. Jetzt erkannte er es.
Es ist überall. Es war die ganze Zeit in mir, und jetzt sehe ich es wirklich. Es existiert.
    [Glaube mir, mehr als das.]
    Er nickte. [Ja, verrückt, aber...]
    Aber die Präsenz der Außerirdischen namens Galdea war bereits aus seinem Kopf verschwunden.
    Corey erforschte das Grenzenlose, Namenlose, das Neue um ihn herum – und in seinem Inneren. Das Neue war uralt.
    (Hallo, Reisender)
drang es von überall zu ihm vor, und dann sprach die Stimme von Dingen jenseits der Imagination. Es war die Stimme dieser Kraft.
    Mary-Doria Patrick schwebte in der Steuerblase.
    Ein schwaches blaues Leuchtfeld umgab sie, bildete ein volumetrisches Kissen. Das war neu, zugleich wußte sie, daß es richtig war. Ganz sicher hing das mit dem bevorstehenden Überlichtflug zusammen, der gewaltigen Beschleunigung jenseits der fünfzig G, die ganz andere Forderungen an die Insassen stellte, als der erste, nur kurze Überschallflug von Peru nach Südfrankreich.
    Doria sah die transparente Membran ihre Kleidung und Haut umgeben, sich um ihre Beine, ihren Körper schmiegen. Aber sie spürte nichts. Doria stieß sich tiefer in die Blase hinein und hakte beide Ellbogen in das glimmende Leiterfeld, das sich soeben vor ihren Augen gebildet hatte und mutmaßlich nur sie selbst sehenkonnte. Das Leiterfeld barg die Kontrollen; die
Gaia
würde sicher die Erde verlassen. Doria schloß die Augen und holte tief Luft. Sie war ganz ruhig.
    Es ging los.
    Das Innere der Steuerblase war nun das einzige wirkliche Universum, was für sie, Doria, noch existierte. Alles andere war Simulation, Speicherplatz und Phantasie. Dies war real. Doria sah durch die Membran hindurch das Weltall interpretationsfrei mit seiner unendlichen Perspektive. Unendlich weit gereistes Licht. Kälte dazwischen. Sie spürte Stimmen wie spitze Gegenstände in sich fahren. Sie haßte es, verstand kein Wort, wußte aber, daß es die Stimmen anderer Wesenheiten hier draußen waren. Vielleicht die Stimmen ihrer Vorgänger an den Kontrollen. Dazu die Stimme des Sternenschiffes selbst. Sie verabscheute es, anderen Präsenzen in ihrem eigenen Denken Raum einzugestehen, aber der die Stimmen jetzt begleitende Effekt war göttlich: Virtuelle Felder erzeugten Milliarden zusätzliche Neuronen, die neue Denkmuster nachahmten und die Doria zur Gänze benutzen konnte, um sich zurechtzufinden. Ihre Persönlichkeit spaltete sich auf. Sie sah ein gläsernes Bild ihres eigenen Gehirns vor sich auftauchen. Das Silbergeflecht der Synapsen opalisierte von Nervenimpulsen. Informationspakete jagten zwischen

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