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Kaiserhof Strasse 12

Kaiserhof Strasse 12

Titel: Kaiserhof Strasse 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Senger
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meinte, es könne nur mit den schlechten Zeiten zusammenhängen, daß niemand an seinen Erfindungen interessiert sei. Ich erinnere mich auch noch an die Krönung seiner Erfindertätigkeit, ein Perpetuum mobile. Einmal nahm er mich mit in seine Kammer, und ich durfte das Wunderwerk betrachten. Es sah aus wie ein Miniaturmühlrad, das in einem komplizierten Drahtgestell über einer halb mit Wasser gefüllten Blechschüssel aufgehängt war. Gab er dem Rad einen leichten Stups, begann es sich zu drehen, wobei es auf der einen Seite Wasser aufnahm und auf der anderen wieder abkippte. Es drehte sich wirklich erstaunlich lange. Der Erfinder versicherte mir, ihm fehle nur noch eine winzige Kleinigkeit an der Konstruktion, um zu erreichen, daß das Rad nie mehr aufhören würde, sich zu drehen.
    Eines Tages hatte er in der hintersten Ecke des Hofes, neben dem hölzernen Aborthäuschen, das schon lange nicht mehr benutzt wurde, aber immer noch stank, einen provisorischen Arbeitsplatz eingerichtet und bastelte dort um sein altes Fahrrad einen merkwürdigen Winkeleisenrahmen. Auf diesen baute er aus Sperrholz einen Verschlag, der wie eine zu große Hundehütte aussah und sich von oben und von hinten offen ließ. Dann montierte er links und rechts an die mit dem Fahrrad verbundene Holzhütte je ein normales Vorderrad. Allen, die neugierig stehenblieben und fragten, was das werden solle, erläuterte er bereitwillig, daß er sich entschlossen habe, mit dem Fahrrad die Erde zu umrunden. Manche lachten über ihn und nannten ihn meschugge, andere bewunderten seinen Mut zu einem solchen Abenteuer. Jedenfalls war es ihm bitterernst damit. Das war die große Tat, von der er ein Leben lang geträumt hatte.
    Immer wieder veränderte und verbesserte er etwas. Bei einer Weltreise, sagte er, müsse man schließlich mit allen Möglichkeiten rechnen. Wochenlang saß er in seiner Ecke, schraubte und sägte und teilte das Innere der rollenden Hütte sinnvoll ein, denn sie mußte nicht nur alle notwendigen Utensilien eines Weltreisenden, sondern in den Nächten auch ihn selbst aufnehmen. Mit Hilfe zweier Taschenlampenbatterien konnte er sich auch im Innern Licht machen. Nach eigenen Plänen hatte er sogar ein Schiebedach konstruiert, um sich gegen Regen zu schützen. Zum Schluß machte er das Ganze mit einer dicken Ölfarbenschicht wetterfest. Eine Seite versah er mit einer Zeichnung der genauen Route, auf der er die Welt umrunden wollte, und auf der anderen Seite stand in großen Buchstaben: In 3 Jahren von Frankfurt am Main (Germany) um die Welt.
    Oft saß ich bei ihm und schaute ihm zu, und er erklärte mir immer wieder, warum er das Gewinde hier eindrehte und das Winkelblech dort anschlug. Und dabei erzählte er mir, durch welche Länder er fahren wolle und daß es ihm auf ein Jahr mehr oder weniger nicht ankomme, hier in Deutschland habe er sowieso keine Arbeit. An einem ganz gewöhnlichen Gummiball, der die Erde darstellen sollte, machte er mir verständlich, was Antipoden sind, und daß er die eines Tages auch besuchen werde. Damals wußte ich noch nicht, daß unsere Antipoden, wenn wir welche hätten, mitten im Pazifischen Ozean säßen.
    Endlich war die farbenfrohe rollende Hütte des Weltreisenden startbereit. Es folgte eine Probefahrt um unseren Häuserblock, und am andern Tag fuhr er los. Nicht zu früh, denn alle Hausbewohner sollten seinen Aufbruch miterleben. Noch einmal umarmten ihn die vier Mädchen und seine dicke Frau, er schüttelte ein Dutzend Hände, schwang sich auf den Sattel und fuhr flott die abschüssige Kaiserhofstraße hinunter. Er schaute sich um, winkte mit der Schiebermütze, zog an der Klingelschnur und bog um die Ecke der Freßgasse, um dann weiter in Richtung Türkei zu fahren, seinem ersten großen Etappenziel.
    Vierzehn Tage gingen ins Land, und von dem Weltreisenden kam keine Post. Wenn man die dicke Frau darauf ansprach, meinte sie, es sei doch sehr vernünftig von ihm, wenn er so sparsam mit seinem Geld umgehe, er werde sich schon früh genug melden, vielleicht erst, wenn er das Ausland erreicht habe.
    Doch dann stand, zur Überraschung des ganzen Hauses, eines frühen Morgens die beräderte Hundehütte wieder im Hof. In der Nacht war der Weltreisende klammheimlich zurückgekommen. Am Nachmittag zeigte er sich auch wieder selbst. Den Arbeitern der Weinhandlung und den Handwerkern im Hof, die ihn umringten, während er die Schutzplane von seiner Hütte nahm, erklärte er mit freundlichem Lächeln, daß er nur

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