Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
ehemaligen Herrn, das kann ich gar nicht alles ausgeben. Oder wie sonst hätte ich mir deiner Ansicht nach die Schriftrollen leisten können? Ich werde uns einen Braten kaufen, ein ordentliches Stück Fleisch, und wir werden sehen, ob wir dich damit nicht ein gutes Stück auf dem Weg der Besserung voranbringen.«
Godegisel widersprach nicht. Sein Appetit wuchs. Und er wollte kräftiger werden. Er hatte noch einen langen Weg vor sich, und da man ihm alles genommen hatte, musste er ihn zumindest anfangs zu Fuß zurücklegen. Das war keine Aussicht, die ihn erfreute. Doch die Rastlosigkeit, die mit jedem Tag stärker würde, war nur schwer zu bändigen. Sobald er auch nur einigermaßen reisefähig war, würde er aufbrechen, und das dann ganz sicher zu Clodius’ Missfallen, der sich an der Gesellschaft des jungen Mannes trotz aller Mühen erfreute.
»Wie ist die Lage in den umliegenden Dörfern?«, fragte er den alten Mann. »Wie ist die Pestsituation?«
»Ich bin ziemlich erstaunt«, erwiderte Clodius. »Die Behörden haben schnell reagiert und offenbar die richtigen Maßnahmen ergriffen. Kranke werden rasch isoliert. Überall ist man auf der Jagd nach Ratten. Reinigende Feuer werden entzündet. Die Bewegungen der Reisenden werden scharf kontrolliert. Zu meiner Zeit hat sich die Pest schneller und umfassender ausgebreitet. Es läuft alles nicht halb so voller Panik ab wie damals. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es gibt jetzt tatsächlich diese Momente, da will ich der imperialen Administration dankbar sein. Jedenfalls scheint die Pest hier in der Gegend zu bleiben. Aber ich hörte, die Ostarmee sei stark betroffen. Die Männer wurden rechtzeitig isoliert, aber sie leiden.«
Er sah Godegisel prüfend an. »Wir müssen darauf achten, dass du erst wieder aufbrichst, wenn deine Beulen gut und sichtbar verheilt sind, mein Freund. Sonst wird man dich für einen Erkrankten halten und sogleich aufgreifen und isolieren. Es ist besser, wenn du deine Ungeduld noch etwas im Zaum hältst und bei mir bleibst.«
Er lächelte Godegisel verständnisvoll zu. »Ich werde langsam langweilig, oder?«
Der Gote schüttelte den Kopf. »Clodius, ich liebe Euch wie meinen Vater.«
Der alte Mann sah den Kranken seltsam an.
Er wandte den Kopf rasch zur Seite, wischte sich etwas aus den Augen.
Dann konzentrierte er sich darauf, einen Teller mit Hühnersuppe zu füllen.
5
Charamadoye war der Ansicht, dass es zu früh war, sich mit diesen Dingen zu befassen. Er ließ sich den Umhang von seiner Leibsklavin zurechtzupfen, dann seufzte er leise. Aira zog ihre Hände von der königlichen Gestalt zurück und lächelte. Sie war, genauso wie ihr Oberherr, keine 17 Jahre alt, und in der letzten Nacht hatte sie ihm noch auf andere Art gedient, als ihm beim Ankleiden zu helfen. Charamadoyes Blick ruhte mit Wohlgefallen auf der schlanken und hochgewachsenen Gestalt der Sklavin, die von seinen Ältesten offenbar mit großem Bedacht ausgewählt worden war. Sie war nicht irgendein Mädchen, das allein durch äußere Schönheit und Fügsamkeit des Geistes dafür qualifiziert worden war, dem König von Nobatia zu dienen. Sie war überdies eine Tochter des Königs von Alwa, und der Feldzug, den Charamadoyes Vater gegen den entfernten Nachbarn geführt hatte, mit Duldung und stiller Unterstützung des dazwischen liegenden Makuria, hatte nicht nur dazu geführt, dass Charamadoye den Thron hatte besteigen müssen, sondern auch reichlich Beute gebracht.
Der junge Herrscher Nobatias betrachtete sich in dem reichhaltig verzierten römischen Spiegel, vor dem er stand. Auch dieser Gegenstand war Teil der Kriegsbeute gewesen. Er war sich nicht sicher, ob der Tod seines Vaters auf der Rückreise aus Alwa die Sache wert gewesen war, wenngleich er nach letzter Nacht beinahe bereit war, es zu glauben.
Der junge König hatte früh aufstehen müssen. In der Nacht war die aksumitische Delegation angekommen. Die Kriege zwischen den drei nubischen Nachfolgestaaten, die die Reste des einst mächtigen Kusch unter sich aufgeteilt hatten, waren eine Sache. Das mächtige Aksum war eine ganz andere. Ezana hatte einst Meroe erobert, die alte Hauptstadt von Kusch, und damit dem einstmals so mächtigen Reich den Todesstoß versetzt. Aksum hatte aber auf eine dauerhafte Eroberung verzichtet – die territorialen Interessen lagen eher im arabischen Raum und man hatte nichts gegen drei schöne Pufferstaaten zwischen sich und Rom. Das hieß aber
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