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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Stenographieblock notieren. In Wirklichkeit kritzelte er mit dem Bleistift nur sinnlose Wellenlinien auf das Papier, aber es verlieh seiner Rolle als Journalist noch mehr Glaubwürdigkeit.
    »Und das Auto stand wo? Erinnern Sie sich noch daran?«
    »Grad hier, wo wir nun sind. Gerade noch auf dem letzten lütten Stück, wo der Weg gepflastert ist. Tja, und wie ich gesehen hab, dass hier ein Toter im Modder liegt, bin ich sofort zurück nach Grönau gefahren und hab dem Gendarmen Bescheid gesagt.«
    Prieß nickte zustimmend, schaute sich noch einmal um und versuchte, sich vorzustellen, was Diebnitz ausgerechnet hierher getrieben haben mochte. Da hatte der Herr Oberst sich ja ein reichlich abgeschiedenes Plätzchen für seinen Abgang ausgesucht , dachte er mit einem unsichtbaren Kopfschütteln. Na, vielleicht wollte er unbedingt ungestört sein.
    Er warf noch schnell zwei Kringel auf den Stenoblock, dann wandte er sich wieder dem Bauern zu: »Sie haben mir wirklich sehr geholfen, vielen Dank.«
    »Da nich’ für«, wehrte Heinrich Braake ab und zog zweimal kräftig an der Pfeife.
      
    Wachtmeister Uhlenhorst, der Gendarm von Groß Grönau, strahlte wie ein kleines Kind beim Anblick der Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Prieß hatte sich zunächst Sorgen gemacht, ob der Dorfpolizist überhaupt bereit sein würde, mit ihm zu sprechen. Bisher hatte er meistens mit Hamburger Polizeibeamten zu tun gehabt, die mit jedem Zucken eines Mundwinkels obrigkeitliche Arroganz demonstrierten; Zivilisten, die es wagten, ihnen Fragen zu stellen, kanzelten sie ab wie ein Unteroffizier einen Rekruten auf dem Kasernenhof. Aber glücklicherweise hatte sich sofort herausgestellt, dass der Gendarm ein sympathischer und gesprächiger Mann war, der die schlechten Eigenschaften seiner Großstadtkollegen nicht teilte. Ja, es schien ihm sogar gewaltige Freude zu bereiten, endlich mal im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Fast tat der Mann Prieß leid, denn der Polizist würde in den nächsten Wochen jede neue Ausgabe des Illustrierten Journals ungeduldig durchblättern, nur um jedes Mal erneut enttäuscht festzustellen, dass sein Name wieder nirgendwo erwähnt wurde.
    Doch noch saß er mit leuchtenden Augen in seiner tiefblauen Uniform hinter dem Schreibtisch, genau unterhalb des Kaiserbildes an der Wand hinter ihm. Er hatte die sperrige Adler-Schreibmaschine und das Telefon zur Seite geschoben und ungeachtet aller Dienstvorschriften eine Flasche Korn mit zwei großen Gläsern hervorgezaubert; nur mit Mühe konnte Prieß ihn davon abhalten, auch noch Mettwurstbrote aufzutischen.
    »Ja, das mit diesem Selbstmord ist schon eine reichlich unangenehme Geschichte. Sie dürfen mir glauben, so was hat es in den ganzen Jahren, die ich hier schon Gendarm bin, noch nie gegeben.« Mit viel Mühe und nur mäßigem Erfolg unterdrückte der Wachtmeister das Plattdeutsche, denn ein königlich preußischer Polizeibeamter hatte Hochdeutsch zu sprechen.
    »Das kann ich mir vorstellen.« Prieß trank ein wenig von dem Korn. Das Gebräu erwies sich als mörderisch, und der Detektiv musste all seine Selbstbeherrschung aufbieten, um keinen Hustenanfall zu bekommen. »Darum würde mich auch interessieren, was Sie getan haben, nachdem Herr Braake zu Ihnen gekommen war.«
    Der Gendarm trank einen großen Schluck aus seinem Glas, strich sich über den prächtigen Schnurrbart und meinte dann: »Also, ich habe natürlich sofort das Pferd gesattelt und mich auf den Weg gemacht, um mir das Ganze erst einmal mit eigenen Augen anzuschauen. Und wie ich dann diese Leiche im Schlamm gesehen habe, da wusste ich gleich, da müssen sich andere drum kümmern. Dann bin ich auf der Stelle zurück hierher und habe telefoniert. Es musste ja schnell jemand herkommen, der sich mit solchen Fällen auskennt. Sie wissen schon, Spuren sichern, Fotos machen und alles das. Möchten Sie noch einen Korn?«
    Noch bevor Friedrich Prieß höflich ablehnen konnte, hatte der Gendarm das leere Glas des Detektivs bereits wieder randvoll aufgefüllt. »Danke sehr«, sagte Prieß ein wenig gezwungen. Schon das erste Glas hatte ihm fast Tränen in die Augen getrieben, aber er wollte den Wachtmeister jetzt auf keinen Fall verstimmen. Er trank artig, aber nur kleine Schlucke, damit das Glas ja nicht zu bald wieder leer war und ein erneutes Auffüllen provozierte. »Sagen Sie, war der Tote eigentlich schon mal früher hier in Groß Grönau gewesen? Ist er vielleicht Ihnen oder jemand anderem

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