Kaisertag (German Edition)
dafür, dass sie präzise und mit fast unheimlicher Beflissenheit ausgeführt wurden.
Die an den Grenzen zu Dänemark, Frankreich und Russland aufmarschierten Divisionen begannen, sich zurückzuziehen. Die gefechtsklar in der Nordsee kreuzende Hochseeflotte, schon in Sichtweite der britischen Home Fleet, machte kehrt und nahm Kurs auf ihre Heimathäfen entlang der Deutschen Bucht. Auf den Militärflugplätzen wurden die Bomben aus den startbereiten Luftkreuzern geladen und die Zeppeline wieder in die Hallen geschleppt. Und überall im Land besetzte das Reichsheer im Handstreich die Kasernen der Sonderbrigade und entwaffnete die Soldaten in Feldgrau, die für diesen Fall überhaupt keine Anweisungen hatten und kaum Widerstand leisteten. Das Reichsamt für Militärische Aufklärung und die Geheime Reichssicherheitspolizei, eben noch verlässliche Werkzeuge in den Händen der Verschwörer, erhielten ihre Befehle jetzt von ihrem obersten Dienstherrn und wandten sich gegen ihre entmachteten ehemaligen Meister.
»Ist das wahr?«, fragte Friedrich Prieß. Er saß auf einem Feldbett im Sanitätszelt unweit des Hanseplatzes, wo ihn kurz zuvor ein Arzt untersucht und die kleineren Blessuren versorgt hatte, die von der unsanften Landung zurückgeblieben waren.
Alexandra nickte. »Oberst Rabenacker hat es mir eben gerade gesagt. Sie haben inzwischen fast alle festgenommen, die bei der Besprechung im Gutshaus anwesend waren. Die Kerle standen schon in den Startlöchern, um heute die Macht zu übernehmen. Tja, daraus wurde wohl nichts.«
»Das sind nur die Köpfe, die Spitze des Eisbergs. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass zumindest ein paar von ihnen alles preisgeben werden, was sie wissen. Und wenn’s nur ist, weil sie ihre Haut retten wollen. Was ist mit Deuxmoulins?«
»Tot«, antwortete Alexandra ohne Bedauern. »Sie fanden ihn in der Nähe von Ratzeburg in seinem Wagen. Er hat wohl im Radio gehört, dass alles misslungen ist, und hat sich selbst erschossen.«
»Ärgerlich«, meinte Prieß. Er hätte Otto von Deuxmoulins zu gerne noch kräftig in den Hintern getreten, wie es ihm auch ein Vergnügen gewesen wäre, Maximilian Sonnenbühl einen Fausthieb ins Gesicht zu versetzen.
Die Plane am Zelteingang wurde zurückgeschlagen, der Kaiser kam herein. Er trug keinen Helm und hatte den hohen Uniformkragen geöffnet. Prieß wollte sogleich von der Liege aufspringen, doch der Kaiser hielt ihn mit den Worten zurück:
»Bleiben Sie sitzen, bitte. Sie haben sich wirklich Ruhe verdient. Und ich mag es sowieso nicht besonders, dass ständig alle aufstehen und sich erst mal stumm verbeugen, wenn ich einen Raum betrete.«
Er sah zu Alexandra, die für einen Moment unentschlossen war, ob sie sich an einem Hofknicks versuchen sollte, sich dann aber für ein schlichtes Neigen des Kopfes entschied.
»Ich habe vernommen, dass Sie beide heiraten möchten … das wird eine ganz besondere Hochzeit. Mir ist nicht bekannt, dass je zuvor zwei Träger des Ordens vom Schwarzen Adler geheiratet hätten.«
»Der Orden … vom Schwarzen Adler?«, fragte Alexandra, während Friedrich Prieß vor Staunen sprachlos war.
»Selbstverständlich«, bestätigte Wilhelm V. »Für das, was Sie geleistet haben, ist der höchste Orden gerade mal gut genug. Oh, seien Sie unbesorgt, das wird natürlich nicht Ihre einzige Belohnung sein, dafür ist Ihr Verdienst viel zu groß. Ich werde mir da noch etwas einfallen lassen. Die Orden sind schon mit einem Kurierflugzeug auf dem Weg von Berlin hierher. Und natürlich werden auch alle anderen Beteiligten Auszeichnungen erhalten, Miss Conway, Paul von Rabenacker, Senator Frahm … obwohl hanseatische Würdenträger ja eigentlich keine Orden annehmen. Aber vielleicht macht der Senator diesmal eine Ausnahme.«
»Ich bin platt«, rutschte es Prieß heraus. Verlegen biss er sich auf die Zunge.
»Nein, ich bin es, der platt ist«, lachte der Kaiser, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich habe inzwischen nämlich von dieser monströsen Verschwörung Kenntnis erhalten. Der Feldmarschall und der Senator haben bereits damit begonnen, mir alles zu erklären. Doch ich möchte gerne, dass Sie beide mir das alles schildern, heute Abend, nach der Ordensverleihung. Es wird eine große Zeremonie für Sie stattfinden, mit militärischen Ehren und einem Vorbeimarsch des Lübecker Regiments …«
Der Kaiser hob die Mundwinkel zu einem Lächeln, aber seine Augen verrieten, wie nachdenklich er war, als er hinzusetzte:
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